Sie standen da, die Gefangenen vieler Jahre, und sahen die, die für wenige Stunden Gefangene gewesen waren, an sich vorüberhasten. Lewinsky erinnerte sich, daß es schon einmal ähnlich gewesen war – als die Häftlinge auf der Straße dem Zug der Flüchtlinge aus der Stadt begegnet waren. Er sah das Dienstmädchen in dem blauen Kleid mit den weißen Tupfen aus dem Eingang kriechen. Es schüttelte seine Röcke und lächelte ihm zu. Ein einbeiniger Soldat folgte. Er richtete sich auf, schob die Krücken unter die Arme und grüßte die Gefangenen, bevor er weiterhumpelte.
Als einer der letzten kam ein sehr alter Mann heraus. Sein Gesicht hatte lange Falten wie das eines Bluthundes. Er sah die Häftlinge an. »Danke«, sagte er. »Drinnen sind noch Verschüttete.«
Langsam, gebrechlich und mit Würde ging er die schiefen Stufen hinauf. Hinter ihm kletterten die Häftlinge in den Bunker.
Sie marschierten zurück. Sie waren kaputt. Sie trugen ihre Toten und Verwundeten.
Der Verschüttete war inzwischen gestorben. Ein herrliches Abendrot stand am Himmel. Die Luft war ganz durchleuchtet davon, und es war von einer so weiten Schönheit, daß es schien, als stünde die Zeit still und als könnte es für eine Stunde keine Ruinen und keinen Tod geben.
»Schöne Helden sind wir«, sagte Goldstein. Er hatte sich von seinem Anfall erholt.
»Schuften uns ab für die hier -«
Werner sah ihn an. »Du darfst nicht mehr mit aufräumen gehen. Es ist verrückt. Du machst dich kaputt, auch wenn du dich noch so drückst.«
»Was soll ich sonst machen? Warten, daß die SS mich oben findet?«
»Wir müssen dir etwas anderes verschaffen.«
Goldstein lächelte mühsam. »Ich gehöre wohl allmählich ins Kleine Lager, was?«
Werner war nicht überrascht. »Warum nicht? Es ist sicher, und wir könnten jemand von uns da gebrauchen.«
Der Kapo, der 7105 getreten hatte, kam heran. Er ging eine Weile neben ihm her, dann schob er ihm etwas in die Hand und blieb wieder zurück. 7105 sah nach. »Zigarette«, sagte er erstaunt.
»Sie werden weich. Die Ruinen gehen ihnen auf die Nerven«, erklärte Lewinsky. »Sie denken an die Zukunft.«
Werner nickte. »Sie kriegen Angst. Merk dir den Kapo. Vielleicht können wir ihn verwenden.«