Entweder hatte Karen Recht, dann war es ein genialer Plan, oder sie machten sich völlig falsche Vorstellungen von der Realität. Einerseits plausibel, mutete ihr Vorschlag zugleich undurchführbar und naiv an, zumal vor dem Hintergrund der ausgeklügelten Botschaften, die Crowe in die Tiefe geschickt hatte. Andererseits …
Crowe? Wo war sie eigentlich?
Samantha Crowe, die ihm im Traum erschienen war vor langer Zeit und ihm den Weg gewiesen hatte nach Nunavut.
Ein mächtiges Klonk drang an seine Ohren, als sei eine Glocke zersprungen. Der Boden neigte sich weiter. Aus den Tiefen des Schiffs drang dumpfes Rauschen an sein Ohr.
Wasser!
Anawak fragte sich, ob ihm überhaupt noch Zeit blieb, hier wieder rauszukommen. Dann fragte er sich gar nichts mehr und rannte los.
Weaver wusste nicht, was sie erwartete. Ihr war mulmig beim Gedanken, die Tür zum Labor wieder zu öffnen. Aber wenn sie den Plan in die Tat umsetzen wollten, bot das Labor die einzige Chance.
Der Boden bebte. Unmittelbar unter ihren Füßen rauschte und gurgelte es. Johanson lehnte schwer atmend neben ihr.
»Mach schon«, sagte er.
Weaver sah das rote
Sie wich zurück. »Wir müssen aufpassen«, sagte sie. »Das Zeug könnte nach draußen gelangt sein.« Johanson warf einen Blick ins Innere. In unmittelbarer Nähe des zerborstenen Tanks sah er zwei leblose Körper treiben. Mit vorsichtigen Schritten watete er durch den Sog des ausströmenden Wassers in die große Halle. Weaver folgte ihm. Ihr erster Blick galt den Containern des Hochsicherheitslaboratoriums, aber sie waren augenscheinlich unversehrt. Sie verspürte Erleichterung. Eine Verseuchung mit
Dafür stand es zur anderen Seite umso höher. »Sie sind alle tot«, flüsterte Weaver. Johanson kniff die Augen zusammen. »Da!« Ein Stück neben den Soldaten trieb ein weiterer Körper. Es war Rubin. Weaver schluckte ihren Abscheu und ihre Angst herunter. »Einen davon brauchen wir«, sagte sie. »Welchen, ist egal.« »Dafür müssen wir tiefer rein.« »Ja. Nicht zu ändern.« Sie setzte sich in Bewegung. »Karen, pass auf!« Das war Johanson. Sie wollte sich umdrehen, als etwas von hinten gegen sie prallte. Ihre Füße rutschten weg. Mit einem Aufschrei landete sie im Wasser, kam prustend hoch und drehte sich auf den Rücken.
Einer der Soldaten stand dort und hielt sie und Johanson mit einem massigen, schwarzen Gewehr in Schach.
»Oh nein«, sagte er gedehnt. »Oooh, nein.«
Sein Blick spiegelte eine Mischung aus Todesangst und einsetzendem Wahnsinn. Weaver richtete sich langsam auf und hob die Hände, sodass er ihre Handflächen sehen konnte.
»Oh nein«, wiederholte der Mann.
Er war sehr jung. Weaver schätzte ihn auf neunzehn. Das Gewehr in seinen Händen zitterte. Er wich einen Schritt zurück und ließ seine Blicke zwischen ihr und Johanson hin— und herwandern.
»Hey«, sagte Johanson. »Wir wollen Ihnen helfen.«
»Ihr habt uns eingeschlossen«, sagte der Soldat. Es klang weinerlich, als sei er kurz davor loszuschreien.
»Das waren nicht wir«, sagte Weaver.
»Ihr habt uns mit … mit diesem … Ihr habt uns damit allein gelassen.«
Das fehlte noch. Die
»Wie heißen Sie?«, fragte Johanson unvermittelt.
»Was?« Die Augen des Soldaten flackerten. Dann riss er das Gewehr hoch und richtete es auf Johanson.
»Nein!«, schrie Weaver.
Johanson hob die Hand zum Zeichen, dass alles in Ordnung sei. Er sah in die Mündung der Waffe und senkte seine Stimme.
»Bitte sagen Sie uns Ihren Namen.«
Der Soldat zögerte.
»Es ist wichtig, dass wir Ihren Namen kennen«, wiederholte Johanson im Tonfall des freundlichen Herrn Pfarrers.
»MacMillan. Ich bin … ich heiße MacMillan.«
Allmählich begriff Weaver, was Johanson vorhatte. Der erste Weg, jemanden in die Normalität zurückzuholen, bestand darin, ihm ins Gedächtnis zu rufen, wer er war.
»Gut, MacMillan, sehr gut. Hören Sie, wir brauchen Ihre Hilfe. Dieses Schiff sinkt. Wir müssen ein Experiment durchführen, das uns alle retten könnte …«
»Uns alle?«
»Haben Sie Familie, MacMillan?«
»Warum wollen Sie das wissen?«
»Wo lebt Ihre Familie?«