Immer wieder rannte sie in den Gang hinein, schaute in offene Türen. Irgendwo musste dieser verdammte Torpedo doch sein! Sie sah nur nicht richtig hin. Mit Sicherheit lag er direkt vor ihrer Nase.
»Such, du blöde Kuh«, schalt sie sich. »Zu blöde, um eine Röhre zu finden. Blöde Kuh. Verblödete Schlampe!«
Unvermittelt gab der Boden wieder unter ihr nach. Sie taumelte und hielt sich fest. Da waren weitere Schotts gebrochen. Der Gang neigte sich noch mehr ab. Die
Lange konnte es nicht mehr dauern.
Plötzlich sah sie den Torpedo.
Er war hinter einem offenen Durchgang hervorgekollert. Li stieß ein Triumphgeheul aus. Sie sprang hinzu, packte die Röhre und rannte den Flur hinauf zum Niedergang. Peaks Leiche hing halb darin. Sie zerrte den schweren Körper heraus und kletterte die Stiege hinab, sprang die letzten zwei Meter und hielt sich am Geländer fest, um nicht der Länge nach hinzuschlagen.
Dort lag der zweite Torpedo.
Jetzt geriet sie in Hochstimmung. Der Rest würde ein Kinderspiel sein. Sie lief weiter und stellte fest, dass es so kinderleicht nicht war, weil einige der Niedergänge durch Gegenstände blockiert waren. Sie frei zu räumen, würde zu lange dauern.
Wie kam sie hier heraus?
Sie musste zurück. Wieder nach oben und raus aufs Hangardeck, um den Weg über die Rampe zu nehmen.
Rasch, die beiden Torpedos an sich gedrückt wie ihren kostbarsten Besitz, machte sie sich an den Aufstieg.
Rubin war ein schwerer Brocken. Nachdem sie in ihre Neoprenanzüge geschlüpft waren — Johanson unter Ächzen und Stöhnen —, schleppten sie ihn mit vereinten Kräften den Steuerbordpier hoch. Das Deck bot einen absurden Anblick. Zu beiden Seiten ragten die Piers wie Sprungschanzen in die Höhe. Der Plankenboden wurde sichtbar, wo er gegen das Heckschott stieß. Inzwischen hatte ein großer Teil des Beckenwassers die vier vertäuten Zodiacs hoch gedrückt und war in den Gang zum Laboratorium geflossen. Anawak lauschte dem Ächzen des Stahls und fragte sich, wie lange die Konstruktion der Belastung noch standhalten mochte.
Schräg hingen die drei Tauchboote von der Decke.
»Mit welchem will Li runter?«, fragte Anawak.
Sie nahmen die Funktionen des Kontrollpults in Augenschein und probierten nacheinander verschiedene Schalter. Nichts tat sich.
»Es muss funktionieren.« Anawaks Blick wanderte über die Konsole. »Roscovitz hat gesagt, das Welldeck verfüge über einen eigenen, unabhängigen Stromkreis.« Er beugte sich tiefer über das Pult und las die Aufschriften genauer. »Da ist es. Das ist die Funktion, um sie runterzulassen. Gut, ich will
Weaver setzte den Hebezug in Gang, aber statt des mittleren Tauchboots senkte sich das vordere ab.
»Kannst du nicht
»Doch, es gibt wahrscheinlich einen Trick, aber ich kenne ihn nicht. Bei mir kommen sie nacheinander runter.«
»Spielt keine Rolle«, sagte Johanson nervös. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Nimm
Sie warteten, bis das Boot auf Pierhöhe schwebte. Weaver sprang hinüber und öffnete die Hauben der beiden Liegeröhren. Rubins Körper schien unglaublich schwer geworden zu sein, als sie ihn auf das Boot zerrten, durchzogen von Nässe und dem Zeug, das sie hineingespritzt hatten. Sein Kopf baumelte hin und her, die Augen starrten milchig ins Nichts. Gemeinsam zerrten und schoben sie die Leiche, bis Rubin in die Röhre des Copiloten plumpste.
Jetzt also war es so weit.
Sein Traum vom Eisberg. Er hatte gewusst, dass es ihn irgendwann nach unten ziehen würde. Der Eisberg würde schmelzen, und er würde hinabsinken zum Grund des unbekannten Ozeans …
Um wen zu treffen?
»Du fährst nicht, Leon.«
Anawak hob überrascht den Kopf. »Wie meinst du das?«
»So, wie ich’s sage.« Einer von Rubins Füßen schaute noch raus. Weaver trat dagegen. Sie fand es schrecklich, so rüde mit dem Toten umzugehen, auch wenn Rubin ein Verräter gewesen war. Aber Pietät konnten sie sich im Augenblick nicht leisten. »Ich werde runtergehen.«
»Was? Wieso auf einmal?«
»Weil es richtiger ist.«
»Nein, auf keinen Fall.« Er fasste sie bei den Schultern.
»Karen, das kann tödlich ausgehen, das ist …«
»Ich weiß, wie es ausgehen kann«, sagte sie leise. »Wir haben alle keine sonderlich große Chance, aber eure ist größer. Ihr nehmt die Boote und wünscht mir Glück, okay?«
»Karen! Warum?«
»Du willst unbedingt Gründe hören, was?«
Anawak starrte sie an.
»Darf ich kurz anmerken, dass wir Zeit verlieren«, drängte Johanson. »Warum bleibt ihr nicht beide oben, und ich gehe?«