Zuerst glaubt Weaver an eine Sinnestäuschung. Ein blauer Schimmer, schwach und in einiger Entfernung. Als habe jemand tief dunkelblauen Staub von einer überdimensionalen Handfläche geblasen, wirbelt die Erscheinung auf und verlöscht wieder.
Ein neues Aufleuchten, diesmal näher und großflächiger. Es bleibt und zieht sich in einem Bogen über das Boot hinweg, sodass Weaver nach oben schauen muss. Was sie erblickt, erinnert sie an eine kosmische Wolke. Es ist unmöglich zu sagen, wie weit entfernt und wie groß die Wolke ist, aber sie vermittelt ihr das Gefühl, nicht den Grund des Meeres, sondern den Rand einer fernen Galaxis erreicht zu haben.
Dann verschwimmt das Blau. Einen Moment lang glaubt sie, es werde schwächer, um gleich darauf zu erkennen, dass sie einer Sinnestäuschung aufsitzt, denn tatsächlich geht diese Wolke in einer größeren auf, die sich langsam auf das Boot herniedersenkt.
Plötzlich wird ihr klar, dass es keine gute Idee ist, auf dem Meeresboden zu liegen, wenn sie Rubin loswerden will.
Und dafür ist jetzt der Moment. Jetzt oder nie.
Sie kippt die Seitenflügel und startet die Propeller. Das
Das Kollektiv ist riesig.
Von allen Seiten rast das blauweiße Leuchten heran. Das
Sie ist etwas mehr als zehn Meter über dem Boden.
Das muss reichen.
Jetzt.
Ein Fingerdruck, der alles entscheidet. Einmal nicht richtig hingeschaut, vor Nervosität oder Angst zittrig geworden, und sie öffnet die falsche Abdeckung und wird augenblicklich sterben. In dreieinhalbtausend Meter Tiefe herrscht ein Druck von 385 Atmosphären. Man verliert nicht unbedingt seine äußere Gestalt, aber definitiv sein Leben.
Doch Weaver öffnet die richtige Haube.
Neben ihr stellt sich die Abdeckung der Copilotenröhre senkrecht.
Explosionsartig schießt Luft nach draußen und reißt Rubins Körper hoch und ein Stück nach draußen. Weaver beschleunigt ihr Unterwasserflugzeug, das mit geöffneter Röhre kaum noch steuerbar ist, und lässt es unvermittelt abstürzen, wodurch Rubin endgültig hinauskatapultiert wird. Vor dem blauweißen, näher rückenden Gewitter schwebt er als schwarze Silhouette. Der fremde Lebensraum zerquetscht sein Gewebe und seine Organe, zerdrückt seinen Schädel, bricht ihm unter dem Druck seiner eigenen Muskulatur die Knochen und presst seine Körperflüssigkeiten nach draußen.
Alles ist erleuchtet.
Rubins sich drehender Körper wird erfasst von Gallerte und gegen das fliehende Tauchboot gedrückt. Auch von der anderen Seite kommt der Organismus, von allen Seiten zugleich, von oben und unten. Er schmiegt sich um das Boot und Rubin, verfestigt sich, und Weaver schreit in Todesangst auf …
Das Boot ist frei.
Fast ebenso schnell, wie die Yrr herangerast sind, haben sie sich wieder vom Boot zurückgezogen. Weit zurückgezogen. Wenn es überhaupt irgendeine Begrifflichkeit gibt, die das Verhalten des Kollektivs in diesem Moment beschreiben könnte, würde man wohl sagen: zutiefst entsetzt.
Weaver hört sich wimmern.
Das Meer um sie herum ist immer noch blau.
Verschwommene Lichter jagen einander in der gewaltigen Gallertmasse, die das Boot umgibt wie ein geschlossener, endlos hinaufreichender Wall. Sie wendet den Kopf und erblickt Rubins zerstörtes Gesicht, schwach beleuchtet von den Instrumenten der Konsole. Es ist von dem kontraktierenden Gewebe seitlich gegen die Sichtkuppel ihrer Röhre gedrückt worden und starrt aus dunklen Höhlen ins Innere. Seine Augäpfel haben sich unter dem hydrostatischen Druck aufgelöst. Schwarze Flüssigkeit sickert an ihrer statt hervor, dann löst sich der Körper des Toten langsam und fällt zurück in die Nacht. Wieder ist er nur ein Schatten vor dem erleuchteten Hintergrund, mit seltsam trudelnden Bewegungen, als vollführe er zu Ehren heidnischer Gottheiten einen unbeholfenen, unendlich langsamen Tanz.
Weaver hyperventiliert, zwingt sich zur Ruhe. Unter anderen Umständen wäre ihr längst schlecht geworden, aber für Befindlichkeiten hat sie jetzt keine Zeit.