Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

Ich sehe, daß Georg unwillkürlich nachdenklich wird. Dreck hat keiner gern an der Geliebten, wenn er nicht dekadent ist. Seine Mutter hat eine Sekunde lang eine Art Triumphblitz im Auge; dann wechselt sie das Thema. Ich schaue sie bewundernd an; sie ist ein Feldherr mit mobilen Einheiten – schlägt rasch zu, und wenn der Gegner sich langsam zur Wehr anschickt, ist sie schon ganz woanders. Lisa mag schlampig sein; aber auffallend dreckig ist sie bestimmt nicht.

Die drei Töchter des Feldwebels Knopf schwirren aus dem Hause. Sie sind klein, rundlich und flink, Näherinnen wie ihre Mutter. Den ganzen Tag surren ihre Maschinen. Jetzt zwitschern sie davon, Pakete mit unerschwinglich teuren seidenen Hemden für die Schieber in ihren Händen. Knopf, der alte Militär, gibt von seiner Pension keinen Pfennig an den Haushalt ab; dafür haben die vier Frauen zu sorgen.

Vorsichtig packen wir unsere beiden schwarzen Kreuzdenkmäler aus. Eigentlich sollten sie im Eingang stehen, um einen reichen Effekt zu machen, und im Winter hätten wir sie auch dahin gestellt; aber es ist Mai, und so sonderbar es auch sein mag: unser Hof ist ein Tummelplatz der Katzen und der Liebenden. Die Katzen schreien bereits im Februar von den Hügelsteinen herab und jagen sich hinter den Grabeinfassungen aus Zement – die Liebenden aber stellen sich prompt ein, wenn es warm genug ist, im Freien zu lieben – und wann ist es dazu zu kalt? Die Hakenstraße ist abgelegen und still, unser Hoftor einladend und der Garten alt und groß. Die etwas makabre Ausstellung stört die Liebespaare nicht; im Gegenteil, sie scheint sie zu besonderem Ungestüm anzufachen. Es ist erst zwei Wochen her, daß ein Kaplan aus dem Dorf Halle, der wie alle Gottesmänner mit den Hühnern aufzustehen gewohnt ist, morgens um sieben bei uns erschien, um vier der kleinsten Hügelsteine für die Gräber von im Laufe des Jahres verstorbenen barmherzigen Schwestern zu kaufen. Als ich ihn schlaftrunken in den Garten führte, konnte ich gerade noch rechtzeitig ein rosa Höschen aus Kunstseide entfernen, das wie eine Fahne am rechten Arm unseres allseitig polierten Kreuzdenkmals flatterte und von einem begeisterten nächtlichen Paar vergessen worden war. Das Leben zu säen an der Stätte des Todes hat sicher etwas im weiten, poetischen Sinne Versöhnliches, und Otto Bambuss, der dichtende Schulmeister unseres Klubs, hat, als ich ihm das erzählte, die Idee sofort gestohlen und zu einer Elegie mit kosmischem Humor verarbeitet – aber sonst kann es doch recht störend wirken, besonders wenn in der Nähe dann noch eine leere Schnapsflasche in der frühen Sonne glänzt.


Ich übersehe die Ausstellung. Sie wirkt gefällig, soweit man das von Leichensteinen sagen kann. Die beiden Kreuze stehen schimmernd auf ihren Sockeln in der Morgensonne, Symbole der Ewigkeit, geschliffene Teile der einst glühenden Erde, erkaltet, poliert und jetzt bereit, für immer den Namen irgendeines erfolgreichen Geschäftsmannes oder reichen Schiebers für die Nachwelt aufzubewahren – denn selbst ein Gauner will nicht gern ganz ohne Spur von diesem Planeten verschwinden.

»Georg«, sage ich,»wir müssen aufpassen, daß dein Bruder unser Werdenbrücker Golgatha nicht an ein paar Mistbauern verkauft, die erst nach der Ernte zahlen. Laß uns an diesem blauen Tag, unter Vogelgesang und Kaffeegeruch, einen heiligen Schwur schwören: Die beiden Kreuze werden nur gegen Barzahlung verkauft!«

Georg schmunzelt.»Es ist nicht ganz so gefährlich. Wir haben unsern Wechsel in drei Wochen einzulösen. Solange wir das Geld früher hereinbekommen, haben wir verdient.«

»Was verdient?«erwidere ich.»Eine Illusion – bis zum nächsten Dollarkurs.«

»Du bist manchmal zu geschäftlich«, Georg zündet sich umständlich eine Zigarre im Werte von fünftausend Mark an.»Anstatt zu jammern solltest du lieber die Inflation als umgekehrtes Symbol des Lebens auffassen. Jeder gelebte Tag ist ein Tag Dasein weniger. Wir leben vom Kapital, nicht von den Zinsen. Jeden Tag steigt der Dollar; aber jede Nacht fällt der Kurs deines Lebens um einen Tag. Wie wäre es mit einem Sonett darüber?«

Ich betrachte den selbstgefälligen Sokrates der Hakenstraße. Leichter Schweiß ziert seinen kahlen Kopf wie Perlen ein helles Kleid.»Es ist erstaunlich, wie philosophisch man sein kann, wenn man nachts nicht allein geschlafen hat«, sage ich.

Georg zuckt nicht mit der Wimper.»Wann sonst?«erklärt er ruhig.»Philosophie soll heiter sein und nicht gequält. Metaphysische Spekulationen damit zu verknüpfen ist dasselbe, wie Sinnenfreude mit dem, was die Mitglieder eures Dichterklubs ideale Liebe nennen. Es wird ein unerträglicher Mischmasch.«

»Ein Mischmasch?«sage ich, irgendwo getroffen.»Sieh einmal an, du Kleinbürger des Abenteuers! Du Schmetterlingssammler, der alles auf Nadeln spießen will! Weißt du nicht, daß man tot ist ohne das, was du Mischmasch nennst?«

»Nicht die Spur. Ich halte nur die Dinge auseinander.«

Georg bläst mir den Rauch seiner Zigarre ins Gesicht.

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