Читаем Der wandernde Wald полностью

Skar verzichtete auf eine Antwort. Del wußte ebensogut wie er, wie sinnlos es war, sich noch ein paar Meilen weiterzuquälen. Aber er sprach den Gedanken nicht laut aus, sondern drehte sich wortlos um und begann die nächstgelegene Düne emporzusteigen. Schließlich war es egal, wo sie starben. Die Wüste war großzügig in dieser Beziehung. Sie hatte Millionen Gräber für sie bereit, und eines war so gut wie das andere.

Del folgte ihm in wenigen Schritten Abstand. Der Schlaf und das Blut, das er getrunken hatte, schienen ihm sichtlich gutgetan zu haben. Sein Gesicht wirkte noch immer grau und eingefallen, und das Pferdeblut war auf seinen Zügen zu einem skurrilen Muster geronnen, was ihm das Aussehen eines barbarischen Tempelpriesters gab. Seine Schritte waren schleppend und mühsam wie die eines alten Mannes, aber vor wenigen Stunden wäre er noch nicht einmal fähig gewesen, die Düne auf Händen und Knien etnporzukriechen.

Sie erreichten den Kamm, blieben einen Moment lang stehen und wandten sich schließlich nach Norden. Eine Richtung war so gut wie die andere. Sie waren von Süden her in die Wüste eingedrungen, aber wahrscheinlich hatten sie sich in den letzten Tagen im Kreis bewegt und waren vollkommen vom Kurs abgekommen. Selbst wenn sich diese höllische Wüste nur noch ein paar Meilen weit streckte, war es zuviel. Sie bewegten sich im Schneckentempo voran, eine, höchstens anderthalb Meilen pro Stunde, schätzte Skar. Irgendwo vor ihnen, verborgen hinter dem monotonen, welligen Horizont, lagen Thbarg und Elay, Thbarg mit seinen saftigen grünen Prärien und Elay, das Ziel, zu dem sie – wann eigentlich? Vor zwei Wochen? Der Gedanke erschien ihm mit einemmal lächerlich – aufgebrochen waren. Zum ersten Mal, seit sie die Nonakesh betreten hatten, kam ihm die grausame Ironie ihrer Lage zum Bewußtsein. Sie waren aufgebrochen, um mit den Heeren Kohons gegen die Quorrl zu ziehen, zu kämpfen und zu brennen, aber sie hatten kämpfen müssen, lange bevor sie ihrem Ziel auch nur nahe gekommen waren, sie wurden langsam bei lebendigem Leibe verbrannt, und sie würden sterben, ohne die Zinnen Elays auch nur zu Gesicht bekommen zu haben. Vielleicht, dachte Skar in einem Anflug von bitterem Galgenhumor, rettete ihr Tod das Leben von ein paar Dutzend Quorrl, gegen die sie hatten ziehen sollen. Sie marschierten schweigend und monoton nach Norden, dicht beieinander und doch unendlich isoliert, jeder allein mit sich und seinen Gedanken und Gefühlen, und Skar begann zu begreifen, daß sie jetzt wirklich starben. Und daß keiner dem anderen helfen konnte. Der Tod, das begriff er plötzlich, war einsam. Und es gab eine Grenze, an der nicht nur das Leben endete, sondern auch alle Begriffe von Freundschaft und Zuneigung. Del und er waren ihr Leben lang beisammen gewesen, aber sterben würde jeder für sich allein.

»Weißt du«, sagte Del plötzlich, »woran ich schon die ganze Zeit denken muß?«

»Nein.«

»Daß wir vielleicht seit Tagen dicht am Rande dieser Wüste entlangmarschieren, ohne es zu merken.« Er lachte rauh und humorlos und fuhr sich mit einer fahrigen Geste über die Stirn. »Irgendwo muß diese verdammte Wüste doch aufhören.«

»Muß sie das?« antwortete Skar.

»Natürlich. Es muß . . .« Er brach ab, blieb mitten im Schritt stehen und umklammerte Skars Handgelenk so fest, daß dieser schmerzhaft aufstöhnte.

»Was zum Teufel –«

Skar verstummte, als er den Ausdruck auf Dels Gesicht sah. Langsam, beinahe widerwillig, als hätte er Angst vor einer weiteren Enttäuschung, einer neuen Hoffnung, der doch nur grausame Ernüchterung folgen konnte, drehte er den Kopf und folgte Dels Blick.

Vor ihnen, allerhöchstens noch zwei-, dreihundert Schritt entfernt, erhob sich die massive grüne Mauer eines Waldes.

»Sag mir, daß ich nicht träume!« bat Del mit zitternder Stimme. »Bitte, Skar, sag es mir!«

»Wenn du träumst, dann träumen wir beide den gleichen Traum. Ich sehe es auch«, murmelte Skar.

»Bäume!« stieß Del ungläubig hervor. »Mein Gott, Skar – das sind Bäume!«

Skar nickte mühsam. Er war unfähig, zu denken, irgend etwas zu sagen oder zu tun. Von einer Sekunde auf die andere fühlte er sich leer und erschlagen, und absurderweise erfüllte ihn der Anblick der Rettung nicht mit Freude oder Erleichterung, sondern mit einem Gefühl dumpfer, schleichender Verzweiflung.

Ist es das? dachte er. Das Ende? Der Wahnsinn? Werde ich verrückt?

Aber irgend etwas sagte ihm, daß er nicht verrückt war. Daß er all dies wirklich erlebte und nicht irgendwo im Sand lag und starb. Daß er wirklich hier stand und die dunkle, gewellte Linie am Horizont sah.

Del drehte sich langsam herum. Seine Bewegungen wirkten hölzern und kaum mehr menschlich, und sein Gesicht war eine Maske starren Entsetzens. »Du . . . du siehst es auch, nicht?« flehte er.

Skar nickte mühsam.

Del stand noch sekundenlang reglos da. Dann erwachte er mit einem schrillen Schrei aus seiner Erstarrung und rannte los. Skar folgte ihm einen Sekundenbruchteil später.

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