Читаем Der wandernde Wald полностью

Aber er war es nicht. Er wollte und konnte nicht in das Schicksal dieses Landes eingreifen, nicht so, wie Bernec es wollte, mit Gewalt und dem Schwert. Ginge er Bernecs Weg, würde ein rauchender Trümmerhaufen zurückbleiben. Mit der Waffe in der Hand könte er Cearn in den Untergang führen, nicht in die Freiheit. Er griff, immer noch wütend, nach der untersten Sprosse der Strickleiter und begann rasch emporzusteigen. Die Hitze traf ihn wie ein Faustschlag, als er aus dem Reich ewiger Finsternis ins helle Sonnenlicht hinaufstieg. Mit einem Mal, schlagartig und ohne Vorwarnung, verspürte er einen quälenden Durst. Seine Haut brannte, und seine Augen begannen bereits nach wenigen Sekunden zu tränen und zu schmerzen. Wie durch einen grauen Schleier sah er Bernecs Gestalt über sich aufragen. Er griff nach seiner Hand, klammerte sich daran fest und zog sich mit einem letzten, wütenden Ruck über den Rand des Schachtes. Die Wüste begrüßte ihn mit einem heißem, trockenen Windstoß. Er wankte, taumelte ein paar Schritte vom Schachtrand zurück und ließ sich ächzend zu Boden sinken. Der Sand war heiß und trocken und begann sofort, unter seine Kleider zu kriechen. Die Nonakesh hatte sie wieder.

Skars Wut verrauchte so rasch, wie sie aufgeflammt war. Mit einemmal fühlte er sich nur noch müde, und das einzige, was er wollte, war sich im warmen Sand ausstrecken und schlafen. Er wälzte sich auf den Rücken, beschattete das Gesicht mit dem Unterarm und tastete mit der freien Hand nach dem Wasserbeutel unter seinem Mantel. Sie hatten in der warmen, feuchtigkeitsgesättigten Luft dort unten nicht viel trinken müssen, und obwohl es ihm viel länger vorkam, waren sie nicht einmal einen ganzen Tag in der Höhle gewesen. Trotzdem war sein Vorrat bedenklich zusammengeschrumpft. In dem ledernen Beutel war höchstens noch ein Liter Wasser. Sein Körper würde das Zehnfache benötigen, um auch nur einen einzigen Tag in der unbarmherzigen Hitze aushalten zu können.

Er setzte sich auf, trank – wider besseres Wissen – einen Schluck der warmen, schal schmeckenden Flüssigkeit und verschloß den Beutel sorgfältig wieder. Sein Blick wanderte zum Himmel. Die Sonne hatte den Horizont im Westen berührt und verwandelte die Dünen und den Himmel in ein Meer rotglühender Flammen. Trotzdem würde es noch eine Stunde dauern, bevor die Temperaturen merklich fielen. Und dann würde es rasch so kalt werden, daß sie in Bewegung bleiben mußten, um nicht zu erfrieren.

Er seufzte hörbar, stand auf und wandte sich nach Osten. Irgendwo dort hinten, verborgen hinter dem monotonen Auf und Ab der braungemusterten Dünen, verbarg sich Cearn – ein halber Tagesritt, allerhöchstens, und doch fast unerreichbar fern. Skar machte sich in diesem Punkt nichts vor. Wenn sie den rettenden Wald nicht bei Sonnenaufgang erreicht hatten, war es aus. Sie würden keine Stunde in dieser Hölle aushalten. Er griff mit einer wütenden Bewegung unter seinen Mantel, nahm den Wasserbeutel hervor und leerte ihn mit großen, gierigen Schlucken.

Sein Blick begegnete dem Bernecs, als er den Schlauch absetzte. Der junge Cearner hatte die Stirn gerunzelt und schüttelte mißbilligend den Kopf. »Glaubst du, daß das klug war?« fragte er.

»Glaubst du, es ist klüger, jede Stunde einen winzigen Schluck zu trinken und schluckweise zu verdursten?« gab Skar gereizt zurück. Er wandte sich ab, schleuderte den leeren Wasserschlauch verärgert von sich und rannte mit raumgreifenden Schritten den Hang der nächsten Düne empor.

Eine Windhose tanzte vor ihm über den Boden, ein winziges, vergängliches Gebilde aus hochgewirbeltem Staub und heißer Luft, kaum einen Meter hoch und von brauner, halbdurchsichtiger Farbe, ein Gebilde wie aus gesponnenen Träumen, schön und bedrohlich zugleich. Skar sah ihr nach, bis sie im Wind zerfaserte. Der Anblick dieses dünnen, grazilen Gebildes hatte etwas ungemein Beruhigendes, vielleicht, weil es ihm auf subtile Weise die Vergänglichkeit alles Bestehenden vor Augen führte. Es spielte für die Geschichte Enwors keine Rolle, ob er oder Del oder einer der anderen überlebten oder nicht. Es spielte nicht einmal eine Rolle, ob es ein Gebilde wie Cearn dann noch geben würde. Vielleicht überlebten sie den Marsch durch die Wüste, und vielleicht gelang es ihnen sogar, Bernec zu bremsen, bevor er ganz Cearn in Brand setzte. Aber auch wenn nicht, würde es für den weiteren Verlauf der menschlichen Geschichte kaum einen Unterschied machen.

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