Читаем Der wandernde Wald полностью

»Noch ein Mord?« fragte Skar.

Del verzog das Gesicht. »Der Gedanke gefällt mir ebensowenig wie dir. Aber ich sehe keinen anderen Weg. Es . . . es geht nicht mehr ohne Blutvergießen ab, Skar, so grausam es klingt. Aber du hast die Wahl zwischen einem Menschenleben und hunderten.«

Skar schwieg betroffen. Es war das alte Problem, ob man Menschenleben gegeneinander aufrechnen durfte, ob irgend jemand –ganz egal, aus welchen Gründen – das Recht besaß, über Leben und Tod eines Menschen zu entscheiden. Niemand hatte es je gelöst, und auch ihnen würde es nicht gelingen. Aber vielleicht mußten sie das Falsche tun, um am Ende das Richtige zu erreichen. Vielleicht, dachte er matt, würden sie auch bei dem Versuch sterben, Ipcearn zu betreten. Und vielleicht war es das beste.

Er stand auf und ging an Del vorbei zur Tür.

Der Himmel über dem Wald glühte im Licht unzähliger, hell lodernder Feuer. Ein dumpfes Raunen und Brausen, das an das Geräusch ferner Meeresbrandung erinnerte, brachte die Luft in der Stadt zum Erbeben.

Skar verharrte unwillkürlich, als er die Menschenmenge sah, die sich auf der Lichtung im Zentrum Wents versammelt hatte. Es mußten sieben-, vielleicht achthundert sein: Männer, Frauen und Kinder, Greise und Krieger. Jeder Bewohner der Stadt schien anwesend zu sein. Und er konnte die knisternde Spannung, die von der Menge Besitz ergriffen hatte, fühlen. Bernecs Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt. Im Moment mochte die Menge noch betäubt und gelähmt von dem Schock sein, den Bernecs Enthüllungen für sie bedeutet haben mußten. Aber dieser Zustand würde nicht lange anhalten: Schon in kurzer Zeit würde aus dieser Menschenmenge ein tobender Mob werden, ein gigantisches, vielkörperiges Tier, das nach Blut schrie und seinem Anführer blind in den Tod folgen würde.

Skar schloß für einen Moment die Augen und versuchte, das dumpfe Murmeln und Wispern in seinem Inneren zu ignorieren.

Sein dunkler Bruder war noch da, lauernd und wach, bereit, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit aus seinem Versteck zu springen und wieder Gewalt über ihn zu erlangen.

Kommt«, flüsterte er. »Und seid vorsichtig. Eine falsche Bewegung, und sie zerreißen uns.«

Sie ritten los, Skar an der Spitze, gefolgt von Coar und Del, der ein viertes, reiterloses Pferd am Zügel führte. Coar hatte ihn und Del mit den fertig gesattelten Tieren am Fuße der Brücke vor dem Haus der Heilerin erwartet, als hätte sie keine Sekunde daran gezweifelt, daß Skar sie begleiten würde. Sie hatten kein Wort miteinander geredet, aber das war auch nicht nötig gewesen. Coar war seinem Blick ausgewichen, aber es war nicht Haß oder Abneigung oder Furcht gewesen, sondern etwas anderes, etwas, das Skar nicht mit Gewißheit bestimmen konnte und das ihn erschaudern ließ.

Die Menge teilte sich vor ihnen, als sie langsam auf das Zentrum des Platzes zuritten. Skar bemühte sich, starr geradeaus zu blicken, wo Bernec auf einem provisorisch errichteten Podest aus Fässern und eilig zusammengenagelten Brettern stand, aber er spürte trotzdem, wie die Menschen rechts und links von ihm ängstlich zurückwichen und ihm furchtsame Blicke zuwarfen. Vielleicht war er einmal ein Held für sie gewesen. Jetzt hatten sie nur noch Angst vor ihm. Er spürte, wie sich die Stille wie eine schwere, erstickende Decke über den Platz senkte. Bernec verstummte, als er ihn, Coar und Del heranreiten sah, und für einen Moment huschte ein furchtsamer, erschrockener Ausdruck über seine Züge. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt.

Skar ritt bis auf zehn Meter an das Rednerpodest heran und zügelte sein Pferd. Coar blieb an seiner rechten Seite stehen, Del, das zusätzliche Pferd zwischen sich und Skar haltend, links.

Bernec bewegte sich unruhig. Sein Blick tastete hilfesuchend über die stumme Mauer weißer, gebannt dreinschauender Gesichter hinter Skar, aber er schien zu spüren, daß er in diesem Augenblick keine Hilfe von ihnen zu erwarten hatte.

»Du . . . du bist also doch noch gekommen«, begann er, als klar-wurde, daß Skar nicht von sich aus reden würde.

Skar lächelte stumm, aber in einer Art, die Bernec sichtlich erbleichen ließ. Er rang nervös mit den Händen, schluckte ein paarmal und fuhr sich hektisch mit dem Handrücken über die Stirn. Sein Blick saugte sich wie hypnotisiert am Griff von Skars Waffe fest. Er hatte Angst.

»Was . . . wollt ihr?« fragte er unsicher.

Skar lächelte. »Wir reiten nach Ipcearn«, sagte er ruhig. Seine Hand machte eine einladende Bewegung auf den Sattel des überzähligen Pferdes an seiner Seite.

»Kommst du mit?«

Bernecs Unterkiefer sank verblüfft herunter. »Ihr wollt . . .?«

»Nach Ipcearn reiten«, bestätigte Skar. »Nur wir drei – und du, wenn du den Mut dazu hast.«

»Ihr seid verrückt!« keuchte Bernec. »Ihr seid tot, bevor ihr auch nur in die Nähe des Schlosses kommt. Seshar wird euch umbringen lassen.«

»Vielleicht«, gestand Skar gleichmütig. »Aber dieses Risiko müssen wir eingehen. Man kann keinen Krieg führen und hoffen, unbeschadet davonzukommen.«

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