Er spuckte sich demonstrativ in die Hände, federte ein paarmal in den Knien ein und sprang mit ausgestreckten Armen nach dem untersten Ast.
»Halt die Augen offen«, sagte er, während er – sich wie ein Baumaffe mit Händen und Füßen festklammernd – darauf wartete, daß der dünne Ast aufhörte zu wippen. »Ich möchte keine Überraschung erleben, wenn ich zurückkomme.«
Del postierte sich mit gezücktem Schwert unter dem Baum, während Skar mit vorsichtigen Bewegungen weiterkletterte. Die weit ausladenden Äste wurden dicker, je weiter er nach oben kam, aber sie waren nicht annähernd so stabil, wie Skar gehofft hatte. Der Baum ächzte und bebte unter seinem Gewicht, und mehr als nur einmal konnte er sich nur im letzten Moment am Stamm festklammern, wenn ein Ast unter seinem Gewicht nachgab und abbrach. Trotzdem kam er gut voran und erreichte schon nach wenigen Minuten den Wipfel. Der mannsdicke Stamm gabelte sich hier oben, und in dem so entstandenen Winkel fand er einen einigermaßen sicheren Halt.
Irgend etwas Kleines, Pelziges stob quiekend davon, als er die Hände ausstreckte und nach einer bequemeren Position suchte. Skar erhaschte einen flüchtigen Blick auf große, feuchtschimmernde Augen, einen buschigen Schweif und winzige fünfzehige Krallen, die fast wie kleine Hände aussahen und dem Tier ein bedrückend menschliches Aussehen gaben.
Skar starrte sekundenlang mit klopfendem Herzen auf die Stelle zwischen den Blättern, an der das Baumwesen aufgetaucht war. Dann lächelte er. Er war nicht einmal auf die Idee gekommen, daß der Baum bewohnt sein könnte. Er hatte Glück gehabt. Nicht jeder Bewohner dieser grünen, undurchdringlichen Ebene hoch über dem Waldboden mochte so harmlos sein wie dieser kleine Kerl eben. Der Vorfall zeigte ihm deutlich, wie weit er noch davon entfernt war, seine normale Form wiedergefunden zu haben. Normalerweise wäre ihm ein so grober Schnitzer nicht unterlaufen. Nicht einmal Del hätte sich so leichtsinnig verhalten. Vorsichtiger geworden, blieb er eine volle Minute lang reglos in der Astgabel hocken und lauschte mit geschlossenen Augen. Der Baum war erfüllt von vielfältigen Geräuschen – Blätter rieben sich raschelnd aneinander, Äste bogen sich unter der sanften und doch machtvollen Hand des Windes oder ächzten unter dem Gewicht seines Körpers. Irgendwo knackte etwas, leise, monoton und fast zu regelmäßig, um noch natürlichen Ursprungs zu sein, und es dauerte lange, bis Skar das Geräusch identifizieren konnte: Wasser; das auf einen Zweig tropfte. Mit einem entschlossenen Ruck griff er nach oben und zog sich auf den schwankenden Halt eines überhängenden Astes hinauf. Blätter fuhren raschelnd über sein Gesicht und seine nackten Schultern; ein angenehmes und beinahe sinnliches Gefühl wie das Streicheln samtiger Finger. Er verharrte einen Moment auf seinem unsicheren Halt, löste dann vorsichtig die Rechte vom Ast und schob sich behutsam höher. Der Stamm schien unter seinem Gewicht zu vibrieren, sich zu schütteln und leise und unwillig zu stöhnen, als wäre der Baum ein lebendiges Wesen, das den Fremdkörper abzuschütteln versuchte.
»Skar?« Dels Stimme drang nur gedämpft durch das dichte Blattwerk hinauf. Trotzdem hörte Skar den besorgten Unterton darin. »Alles in Ordnung da oben?«
Skar schüttelte unwillig den Kopf. »Es wird nicht mehr lange so bleiben, wenn du weiter den halben Wald zusammenbrüllst«, gab er schärfer zurück, als nötig gewesen wäre. In dem schattigen, gedämpften Schweigen des Waldes mußten Dels Worte meilenweit zu hören gewesen sein.
Er hangelte sich weiter nach oben und stieß schließlich mit Kopf und Schultern durch die Blätterdecke.
Der Anblick war überwältigend.