Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Die Blätter waren kurz und spitz, diesen Baum hatte er noch nie untersucht. Er wollte sich aufrichten, aber sie legte die Hand auf sein Gesicht und drückte ihn nach unten, und er fragte sich, wieso sie nicht begriff, daß er in der Hölle war. Später hätte er nicht sagen können, wie lange es dauerte, bis sie abließ, ihre Haare zurückstrich und ihn traurig ansah. Er schloß die Augen. Sie stand auf.

Das mache doch nichts, sagte sie leise, das sei ihre Schuld.

Sein Kopf schmerzte, er hatte rasenden Durst. Erst als er hörte, wie die Tür hinter ihr zufiel, öffnete er die Augen.

Bonpland fand ihn am Schreibtisch, zwischen den Chronometern, dem Hygrometer, dem Thermometer und dem wieder zusammengebauten Sextanten. Mit ins Auge geklemmter Lupe betrachtete er Palmenblätter. Ein interessanter Aufbau, bemerkenswert! Allmählich sei es Zeit zum Aufbruch.

So plötzlich?

Nach alten Berichten gebe es einen Kanal zwischen den Strömen Orinoko und Amazonas. Europäische Geographen hielten das für Legende. Die herrschende Schule behaupte, daß nur Gebirge als Wasserscheiden dienen und keine Flußsysteme im Inland vetbunden sein könnten.

Darüber habe er seltsamerweise nie nachgedacht, sagte Bonpland.

Es sei ein Irrtum, sagte Humboldt. Er werde den Kanal finden und das Rätsel lösen.

Aha, sagte Bonpland. Ein Kanal.

Ihm gefalle diese Einstellung nicht, sagte Humboldt. Immer Klagen, immer Einwürfe. Sei etwas Enthusiasmus zuviel verlangt?

Bonpland fragte, was denn geschehen sei.

In Kürze erwarte man eine Sonnenfinsternis! Das ermögliche die exakte astronomische Ortsbestimmung der Küstenstadt. Dann könne man ein Netz von Meßpunkten bis zu den Enden des Kanals spannen.

Aber der sei doch tief im Urwald!

Ein großes Wort, sagte Humboldt. Das dürfe einen nicht abschrecken. Urwald sei auch nur Wald. Die Natur spreche überall in derselben Sprache.

Er schrieb an seinen Bruder. Herrlich sei die Reise, gewaltig die Fülle der Entdeckungen. Täglich fänden sich neue Pflanzen, mehr, als man zählen könne, die Beobachtung der Beben lege eine neue Theorie der Erdkruste nahe. Ungemein erweitert seien auch die Kenntnisse über die Natur der Kopflaus. Immer der Deine, setz es in die Zeitung!

Er prüfte, ob seine Hand auch ja nicht zitterte. Dann schrieb er an Immanuel Kant. Ihm dränge sich das Konzept einer neuen Wissenschaft der physischen Geographie auf. In unterschiedlichen Höhen, doch bei ähnlichen Temperaturen wüchsen auf dem gesamten Planeten ähnliche Pflanzen, so daß sich Klimazonen nicht bloß in die Breite, sondern auch in die Höhe erstreckten: An einem Punkt könne die Erdoberfläche alle Stadien vom Tropischen bis ins Arktische durchlaufen. Verbinde man diese Zonen zu Linien, so erhalte man eine Karte der großen klimatischen Strömungen. Dankbar für alle Hinweise, wie auch in bester Hoffnung, daß der Professor sich wohlbefinde, verbleibe er … Er schloß die Augen, atmete tief ein und unterschrieb mit dem ausladendsten Namenszug, dessen er fähig war.

Am Tag vor der Verdunkelung des Himmels geschah etwas Unangenehmes. Als sie am Strand Druckmessungen anstellten, sprang ein Zambo, halb Schwarzer, halb Indianer, mit einer Holzkeule aus dem Gebüsch. Er knurrte, duckte sich, starrte. Dann griffer an. Einen unseligen Unfall, nannte es Humboldt, als er einige Tagespäter an Bord des Schiffes nach Caracas, bei starkem Seegang und im flackernden Licht einer Kerze, gegen drei Uhr früh darüber schrieb. Er sei dem Schlag nach links ausgewichen, Bonpland zu seiner Rechten habe weniger Glück gehabt. Doch als Bonpland reglos auf dem Boden liegengeblieben sei, habe der Zambo die Gelegenheit verstreichen lassen; statt wieder zuzuschlagen, sei er zu Bonplands weggeflogenem Hut gelaufen, habe ihn sich aufgesetzt und sei mit großen Schritten davongegangen.

Wenigstens war den Instrumenten nichts passiert, und auch Bonpland kam nach zwanzig Stunden wieder zu sich: das Gesicht geschwollen, ein Zahn abgebrochen, die Form der Nase leicht verändert, eingetrocknetes Blut um Mund und Kinn. Humboldt, der abends, nachts und in den langen Stunden des Morgens an seinem Bett gesessen hatte, reichte ihm Wasser. Bonpland wusch sich, spuckte und sah mißtrauisch in den Spiegel.

Die Sonnenfinsternis, sagte Humboldt. Ob es wohl gehen werde?

Bonpland nickte.

Sicher?

Bonpland spuckte aus und lispelte, er sei ganz sicher.

Es kämen große Tage, sagte Humboldt. Vom Orinoko zum Amazonas. Ins Innerste des Landes. Er solle ihm die Hand geben!

Mühsam, wie gegen einen Widerstand, hob Bonpland den Arm.

Zur angekündigten Nachmittagsstunde verlosch die Sonne. Das Licht wurde fahl, ein Schwärm Vögel flatterte schreiend empor und wehte im Wind davon, die Gegenstände saugten die Helligkeit auf, ein Schatten flog heran, der Sonnenball wurde zu einer dunklen Scheibe. Bonpland, den Kopf verbunden, hielt den Projektionsschirm des künstlichen Horizonts. Humboldt richtete den Sextanten darauf, mit dem anderen Auge schielte er auf das Chronometer. Die Zeit stockte.

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