Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Petersburg, sagte der Herzog, sei weit weg. Auch Berlin sei nicht in der Nähe. Wenn man es recht bedenke, sei der allernächste Platz dieser hier. Jeder andere sei anderswo. Selbst Göttingen. Er sei kein Wissenschaftler, er bitte, ihn zu korrigieren, falls er sich irre.

Doch, sagte Gauß mit auf den Boden gehefteten Augen. Das sei schon richtig.

Und wen nicht die Heimatliebe halte, der könne wenigstens berücksichtigen, daß das Reisen anstrengend sei. Anderswo müsse man sich erst einrichten, man habe Scherereien, das Umziehen gehe ins Geld und sei eine Höllenarbeit. Womöglich habe man auch eine alte Mutter daheim.

Gauß spürte, wie er rot wurde. Das geschah immer, wenn jemand seine Mutter erwähnte; nicht aus Scham, sondern weil er sie so liebte. Dennoch, er mußte sich räuspern und wiederholte: Dennoch, man könne nicht immer, wie man wolle. Wer Familie habe, brauche Geld und müsse dorthin, wo es zu holen sei.

Man werde sich einigen, sagte der Herzog. Ein Professorentitel sei möglich. Wenn auch nicht bei doppelten Bezügen.

Wenn man aber den Titel der Bezüge wegen wolle?

Dann gereiche man seiner Profession nicht zur Ehre, sagte der Herzog kühl.

Gauß wurde klar, daß er zu weit gegangen war. Er verbeugte sich, der Herzog entließ ihn mit einer Handbewegung, sofort öffnete ein Diener hinter ihm die Tür.

Während er auf das schriftliche Angebot des Hofes wartete, beschäftigte er sich mit der Kunst der Orbitberechnung. Eine Sternenbahn, sagte er zu Johanna, sei nicht bloß irgendeine Bewegung, sondern das notwendige Resultat der Einflüsse, die alle Körper auf einen einzelnen Körper in der Leere ausübten: jene Linie also, die in exakt gleicher Krümmung auf dem Papier und im Raum entstehe, wenn man einen Gegenstand in die Freiheit schleudere. Das Rätsel der Gravitation. Das zähe Zusammenstreben aller Körper.

Das Zusammenstreben der Körper, wiederholte sie und schlug mit dem Fächer auf seine Schulter. Er wollte sie küssen, sie wich lachend zurück. Er war nie dahinter gekommen, warum sie ihre Meinung geändert hatte. Seit ihrem zweiten Brief hatte sie getan, als wäre es das Selbstverständlichste. Und es gefiel ihm, daß es Dinge gab, die er nicht begriff.

Zwei Tage vor der Hochzeit ritt er nach Göttingen, um Nina ein letztes Mal zu besuchen.

Jetzt heiratest du, sagte sie, und natürlich nicht mich.

Nein, antwortete er, natürlich nicht.

Sie fragte, ob er sie gar nicht liebgehabt habe.

Ein wenig, antwortete er, während er die Schnüre ihres Kleides löste und gar nicht glauben konnte, daß er eben das übermorgen bei Johanna tun würde. Das andere Versprechen aber werde er halten, er werde Russisch lernen. Und obwohl sie versicherte, es habe nichts zu bedeuten, in ihrem Beruf werde man sentimental, verblüffte es ihn und mißfiel ihm auch, daß sie weinte.

Das Pferd schnaubte ärgerlich, als er es auf dem Rückweg auf freiem Feld zum Stehen brachte. Ihm war klargeworden, wie man aus den Bahnstörungen der Ceres die Masse des Jupiter ermitteln konnte. Er sah in den Nachthimmel, bis sein Nacken weh tat. Noch vor kurzem waren dort bloß leuchtende Punkte gewesen. Jetzt unterschied er ihre Formationen, wußte, welche von ihnen die für die Orientierung auf dem Meer wichtigen Breitengrade markierten, kannte ihre Wege, die Stunden ihres Verschwindens und ihrer Wiederkehr. Ganz von selbst, und eigentlich nur, weil er Geld brauchte, waren sie zu seinem Beruf und er zu ihrem Leser geworden.

Zur Hochzeit kamen wenige Gäste: sein alter und schon sehr gebeugter Vater, seine kindisch schluchzende Mutter, Martin Bartels und Professor Zimmermann, außerdem Johannas Familie, ihre häßliche Freundin Minna sowie ein Sekretär des Hofes, der nicht zu wissen schien, warum man ihn hergeschickt hatte. Während des sparsam zubereiteten Festmahls sprach Gauß’ Vater darüber, daß man sich nicht beugen lassen dürfe, niemals, von keinem, dann erhob sich Zimmermann, öffnete den Mund, lächelte liebenswürdig in die Runde und setzte sich wieder. Bartels stieß Gauß an.

Der stand auf, schluckte und sagte, er habe nicht erwartet, daß er etwas wie Glück finden würde, und im Grunde glaube er auch jetzt nicht daran. Es komme ihm wie ein Rechenfehler vor, ein Irrtum, von dem er nur hoffe, keiner werde ihn aufdecken. Er nahm wie-der Platz und wunderte sich über die fassungslosen Blikke. Leise fragte er Johanna, ob er etwas Falsches gesagt habe.

Aber woher denn, antwortete sie. Genau diese Rede habe sie sich immer für ihre Hochzeit erträumt.

Eine Stunde später waren die letzten Gäste gegangen und er und Johanna auf dem Weg nach Hause. Sie sprachen wenig. Plötzlich waren sie einander fremd.

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