Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Tagsüber flossen die Stunden ineinander; die Sonne hing sehr tief und feurig über dem Fluß, es schmerzte, sie anzusehen, die Moskitos griffen von allen Seiten an, selbst die Ruderer waren zu erschöpft zum Reden. Eine Zeitlang folgte ihnen eine metallene Scheibe, flog vor und dann wieder hinter ihnen, glitt lautlos durch den Himmel, verschwand, tauchte wieder auf, kam für Minuten so nahe, daß Humboldt mit dem Fernrohr die gekrümmte Spiegelung des Flusses, ihres Bootes und seiner selbst auf ihrer gleißenden Oberfläche wahrnehmen konnte. Dann raste sie davon und kam nie wieder.

Bei klarem Wetter erreichten sie das Ende des Kanals. Im Norden erhoben sich granitweiße Berge, auf der anderen Seite erstreckten sich grasige Ebenen. Humboldt fixierte die untergehende Sonne mit dem Sextanten und maß den Winkel zwischen der Jupiterbahn und jener des vorbeiwandernden Mondes.

Jetzt erst, sagte er, existiere der Kanal wirklich.

Stromabwärts, sagte Mario, werde es schneller vorangehen. Man müsse die Strudel nicht mehr fürchten und könne sich in der Mitte halten. So entkomme man den Moskitos.

Das bezweifle er, sagte Bonpland. Er glaube nicht mehr an einen Ort ohne sie. Selbst in seine Erinnerungen seien sie geraten. Denke er an La Rochelle, so finde er die Stadt voller Insekten.

Daß der Kanal jetzt auf den Karten verzeichnet sei, erklärte Humboldt, werde die Wohlfahrt des gesamten Erdteils befördern. Man könne nun Güter quer über den Kontinent bringen, neue Handelszentren würden entstehen, ungeahnte Unternehmungen seien möglich.

Bonpland bekam einen Hustenanfall. Tränen liefen ihm über das Gesicht, er spuckte Blut. Hier sei nichts, keuchte er. Es sei heißer als in der Hölle, es gebe nur Gestank, Moskitos und Schlangen. Hier werde nie etwas sein, und dieser dreckige Kanal werde nichts daran ändern. Könnten sie jetzt endlich zurück?

Humboldt starrte ihn ein paar Sekunden an. Das habe er noch nicht entschieden. Die Mission Esmeralda sei die letzte christliche Siedlung vor der Wildnis. Von dort aus komme man durch unerforschtes Gebiet in wenigen Wochen zum Amazonas. Dessen Quellen habe noch keiner gefunden.

Mario bekreuzigte sich.

Andererseits, sagte Humboldt nachdenklich, sei es vielleicht unklug. Die Sache sei nicht ungefährlich. Wenn er nun unterginge, verschwänden mit ihm alle Funde und Ergebnisse. Niemand würde davon erfahren.

Das dürfe man nicht riskieren, sagte Bonpland.

Tollkühn wäre es, sagte Julio.

Gar nicht zu reden von denen! Mario zeigte auf die Leichen. Niemand würde sie zu sehen kriegen!

Humboldt nickte. Manchmal müsse man zurückstehen können.

Die Mission Esmeralda bestand aus sechs Häusern zwischen riesigen Bananenstauden. Es gab nicht einmal einen Missionar, nur ein alter spanischer Soldat stand fünfzehn Familien von Indianern vor. Humboldt engagierte einige Männer, um die Termiten aus dem Holz des Bootes zu schaben.

Die Entscheidung, nicht weiterzufahren, sei die richtige, sagte der Soldat. In der Wildnis hinter der Mission töteten die Menschen ohne Hemmungen. Sie hätten mehrere Köpfe, seien unsterblich und unterhielten sich in Katzensprachen.

Humboldt seufzte bekümmert; es ärgerte ihn, daß nun ein anderer die Amazonasquellen finden würde. Um sich abzulenken, studierte er die Bilder von Sonnen, Monden und kompliziert gerollten Schlangen, die fast hundert Meter über dem Fluß in den Fels geritzt waren.

Früher müsse das Wasser höher gestanden haben, sagte der Soldat.

So hoch nicht, sagte Humboldt. Offenbar seien die Felsen niedriger gewesen. Er habe einen Lehrer in Deutschland, dem er das kaum mitzuteilen wage.

Oder fliegende Menschen, sagte der Soldat.

Humboldt lächelte.

Viele Wesen flögen, sagte der Soldat, und keiner finde etwas dabei. Hingegen habe noch niemand gesehen, wie ein Berg sich aufrichte.

Menschen flögen nicht, sagte Humboldt. Selbst wenn er es sähe, würde er es nicht glauben.

Und das sei dann Wissenschaft?

Ja, sagte Humboldt, genau das sei Wissenschaft.

Als das Boot wiederhergestellt und Bonplands Fieber gesunken war, traten sie den Rückweg an. Zum Abschied bat der Soldat Humboldt, in der Hauptstadt ein gutes Wort für ihn einzulegen, damit man ihn anderswohin versetze. Es sei ja nicht auszuhalten. Erst neulich habe er eine Spinne in seinem Essen gefunden, er hielt beide Handflächen nebeneinander, so groß! Zwölf Jahre, das sei einem Menschen nicht zuzumuten. Hoffnungsvoll schenkte er Humboldt zwei Papageien und winkte ihnen lange hinterher.

Mario hatte recht gehabt: Stromabwärts ging es schneller, und die Insekten waren in der Flußmitte nicht so aggressiv. Nach kurzer Zeit erreichten sie die Jesuitenmission, wo Pater Zea sie mit Verwunderung begrüßte.

Er habe nicht erwartet, sie so bald wiederzusehen. Bemerkenswerte Robustheit! Wie seien sie mit den Kannibalen zurechtgekommen?

Er habe keine getroffen, sagte Humboldt.

Komisch, sagte Pater Zea. Praktisch alle Stämme dort unten seien Menschenfresser.

Könne er nicht bestätigen, sagte Humboldt und runzelte die Stirn.

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