Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Jedenfalls nicht der sogenannte Fürst der Mathematiker, sagte der Graf, der so etwas wohl kaum einfach außer acht lasse.

Gauß faltete die Hände auf dem Rücken und betrachtete die auf den Palmenstämmen wachsenden Orchideen. Nichts davon sei gegen das Gesetz, sagte er mit gepreßter Stimme.

Kein Zweifel, sagte der Graf. Er sei sicher, der Herr Geodät habe das geprüft. Übrigens habe er große Bewunderung für die Vermessungsarbeit. Es sei eine wunderliche Beschäftigung, monatelang mit Instrumenten herumzuziehen.

Nur wenn man es in Deutschland tue. Wer das gleiche in den Kordilleren unternehme, werde als Entdecker gefeiert.

Der Graf wiegte den Kopf. Hart sei es wohl dennoch, zumal wenn man daheim Familie habe. Der Herr Geodät habe doch Familie? Eine gute Frau?

Gauß nickte. Die Sonne kam ihm zu hell vor, und die Pflanzen beunruhigten ihn. Er fragte, ob sie über den Kauf der Bäume sprechen könnten. Er müsse weiter, seine Zeit sei knapp!

So knapp wohl auch nicht, sagte der Graf. Wenn man Verfasser der Disquisitiones Arithmeticae sei, so müsse man es eigentlich nie wieder eilig haben.

Gauß sah den Grafen verblüfft an.

Bitte keine unnötige Bescheidenheit, sagte der Graf. Der Abschnitt über die Kreisteilung gehöre zum Bemerkenswertesten, was er je gelesen habe. Er habe da Gedanken gefunden, von denen sogar er noch habe lernen können.

Gauß lachte auf.

Doch doch, sagte der Graf, er meine es ernst.

Es erstaune ihn, sagte Gauß, hier einen Mann mit solchen Interessen zu treffen.

Er solle lieber von Wissen sprechen, sagte der Graf. Seine Interessen seien sehr beschränkt. Doch er habe es immer für nötig gehalten, seine Kenntnisse weit über die Grenzen seiner Anteilnahme hinaus auszudehnen. Bei der Gelegenheit: Er habe gehört, der Hetr Geodät wolle ihm etwas sagen.

Bitte?

Es sei schon eine Weile her. Beschwerden, Ärgernisse. Eine Anklage sogar.

Gauß rieb sich die Stirn. Ihm wurde allmählich heiß. Er hatte keine Ahnung, wovon dieser Mann sprach.

Bestimmt nicht?

Gauß sah ihn verständnislos an.

Dann eben nicht, sagte der Graf. Und was die Bäume anbelange, die gebe er gratis.

Und den Schuppen?

Den auch.

Aber warum, fragte Gauß und erschrak über sich selbst. Was für ein dummer Fehler!

Brauche man immer Gründe? Aus Liebe zum Staat, wie sie einem Bürger wohl anstehe. Aus Wertschätzung für den Herrn Geodäten.

Gauß bedankte sich mit einer Verbeugung. Er müsse jetzt aufbrechen, sein nichtsnutziger Sohn warte, er habe heute noch die ganze Länge bis Kalbsloh abzuschreiten.

Der Graf erwiderte den Gruß mit einer Flatterbewegung seiner dünnen Hand.

Auf dem Weg zum Herrenhaus schien es Gauß einen Moment, als hätte er die Orientierung verloren. Er konzentrierte sich, dann ging er rechts, links und rechts, durch die Gittertür, wieder zweimal rechts, durch noch eine Tür und stand in der Eingangshalle vom Vortag. Der Diener wartete schon, öffnete die Haustür und entschuldigte sich für das Zimmer. Er habe nicht gewußt, um wen es sich gehandelt habe. Es sei nur die Reiterkammer gewesen, wo man Gesindel und Herumtreiber unterbringe. Droben sei es gar nicht häßlich. Man habe Spiegel und Waschbecken und sogar Bettzeug.

Gesindel und Herumtreiber, wiederholte Gauß.

Ja, sagte der Diener mit unbewegtem Gesicht. Abschaum und niederes Gezücht. Und er schloß sanft die Tür.

Gauß atmete tief ein. Er war erleichtert, daß er hinaus war. Er mußte schnell weg, bevor dieser Verrückte seine Zusage bereute. Der hatte also die Disquisitiones gelesen! Er hatte sich noch immer nicht ans Berühmtsein gewöhnt. Selbst damals, als in der schlimmsten Kriegszeit ein Adjutant Napoleons Grüße überbracht hatte, hatte er es für ein Mißverständnis gehalten. Womöglich war es auch eines gewesen; er würde es nie erfahren. Schnellen Schrittes ging er den Hang hinunter in den Wald.

Ärgerlicherweise versteckten sich die gestern markierten Bäume auf das geschickteste. Es war schwül, er schwitzte, und es gab zu viele Fliegen. Auf jedem Baum, der weg mußte, hatte er ein Kreidekreuz angebracht. Jetzt mußte er ein zweites darüber malen, als Zeichen, daß die Genehmigung zum Fällen vorlag. Eugen hatte ihn kürzlich gefragt, ob sie ihm nicht leid täten, diese Bäume seien so alt und hoch, sie spendeten so viel Schatten und hätten so lange gelebt. Der Junge war zugleich gefühlig und begriffsstutzig. Ein Jammer: Er war so fest entschlossen gewesen, die Begabungen seiner Kinder zu nähren, ihnen das Lernen leicht zu machen und alles zu fördern, was an ihnen außergewöhnlich war. Aber dann war nichts an ihnen außergewöhnlich gewesen. Sie waren nicht einmal besonders intelligent. Joseph machte sich ganz gut als Offiziersanwärter, doch der war ja auch von Johanna. Wilhelmine war immerhin gehorsam und hielt das Haus sauber. Aber Eugen?

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