Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Ich weiß, daß Sie verstehen, antwortete Gauß. Sie haben immer verstanden, armer Freund, mehr, als Sie wußten. Minna fragte, ob ihm nicht wohl sei. Er bat sie, ihn in Ruhe zu lassen, er habe laut gedacht. Er war in gereizter Stimmung, allein schon des lächelnden Chinesen wegen, der ihn die ganze Nacht angesehen hatte, so ein Benehmen war nicht einmal im Traum akzeptabel. Außerdem hatte er schon wieder eine Abhandlung über die astrale Geometrie des Raums zugeschickt bekommen, diesmal von niemand anderem als dem alten Martin Bartels. Also hat er mich doch nach all den Jahren überflügelt, sagte er, und ihm war, als antwortete nicht Minna, sondern der bereits in einer Schnellkutsche nach Sankt Petersburg rasende Humboldt: Die Dinge sind, wie sie sind, und wenn wir sie erkennen, sind sie genauso, wie wenn es andere tun oder keiner. Wie meinen Sie das, fragte der Zar, der Humboldt gerade das Band des SanktAnnen-Ordens hatte umhängen wollen, und hielt in der Bewegung inne. Hastig versicherte Humboldt, er habe nur gesagt, man dürfe die Leistungen eines Wissenschaftlers nicht überschätzen, der Forscher sei kein Schöpfer, er erfinde nichts, er gewinne kein Land, er ziehe keine Frucht, weder säe noch ernte er, und ihm folgten andere, die mehr, und wieder andere, die noch mehr wüßten, bis schließlich alles wieder versinke. Stirnrunzelnd legte der Zar das Band um seine Schultern, es wurde Vivat gerufen und Bravo, und Humboldt bemühte sich, nicht gebeugt zu stehen. Zuvor auf den Prunkstiegen waren ihm offene Knöpfe an seinem Frackhemd aufgefallen, und errötend hatte er Rose bitten müssen, sie zu schließen, seit neuestem seien seine Finger so klamm. Nun verschwamm ihm der Goldsaal vor Augen, die Lüster strahlten, als käme ihr Licht von anderswo, alles klatschte, und ein dunkelhäutiger Dichter trug mit weicher Stimme ein Poem vor. Humboldt hätte Gauß gern von dem Brief erzählt, der ihn nach über einem Jahr der Reise zerknittert und flekkig in Petersburg erwartet hatte. Schwer und langsam, schrieb Bonpland darin, vergingen seine Tage, die klein gewordene Erde enthalte nur mehr ihn, sein Haus und das Feld darum, alles draußen gehöre der undurchsichtigen Welt des Präsidenten an, er sei gefaßt, hoffe nichts mehr, erwarte das Schlimmste und habe sozusagen die Ruhe gefunden; Du fehlst mir, mein Alter. Ich habe nie jemand getroffen, der Pflanzen mochte wie Du. Humboldt zuckte zusammen, Rose hatte ihn am Oberarm berührt. Alle um die große Tafel sahen ihn an. Er stand auf, doch während seiner etwas konfusen Tischrede dachte er an Gauß. Dieser Bonpland, hätte ihm der Professor wohl geantwortet, hatte allerdings Pech, aber können wir beide uns beklagen? Kein Kannibale hat Sie gegessen, kein Ignorant mich totgeschlagen. Hat es nicht etwas Beschämendes, wie leicht uns alles fiel? Und was jetzt geschieht, ist nur, was einmal geschehen mußte: Unser Erfinder hat genug von uns. Gauß legte die Pfeife weg, zog die Samtmütze über den Hinterkopf, steckte das russische Wörterbuch und den kleinen Puschkin-Band ein und machte sich auf, vor dem Abendessen spazierenzugehen. Sein Rücken schmerzte, sein Bauch ebenso, und in seinen Ohren rauschte es. Dennoch war seine Gesundheit gar nicht übel. Andere waren gestorben, er war noch hier. Immer noch konnte er denken, zwar nichts allzu Kompliziertes mehr, aber für das Nötigste reichte es. Über ihm schwankten die Baumwipfel, in der Ferne ragte die Kuppel seiner Sternwarte auf, später in der Nacht würde er ans Fernrohr gehen und, mehr aus Gewohnheit, als um noch etwas zu finden, das Band der Milchstraße in die Richtung der fernen Spiralnebel verfolgen. Er dachte an Humboldt. Gern hätte er ihm eine gute Rückkehr gewünscht, aber am Ende kam man nie gut zurück, sondern jedesmal ein wenig schwächer, und zuletzt gar nicht mehr. Vielleicht gab es ihn ja doch, den Hchtlöschenden Äther. Aber natürlich gebe es ihn, dachte Humboldt in seiner Kutsche, er habe ihn ja dabei, in einem der Fuhrwerke, nur erinnere er sich nicht mehr, wo, es seien Hunderte Kisten, und er habe den Überblick verloren. Plötzlich wandte er sich Ehrenberg zu. Tatsachen! Aha, sagte Ehrenberg. Tatsachen, wiederholte Humboldt, die verblieben noch, er werde sie alle aufschreiben, ein ungeheures Werk voller Tatsachen, jede Tatsache der Welt, enthalten in einem einzigen Buch, alle Tatsachen und nur sie, der ganze Kosmos noch einmal, allerdings entkleidet von Irrtum, Phantasie, Traum und Nebel; Fakten und Zahlen, sagte er mit unsicherer Stimme, die könnten einen vielleicht retten. Bedenke er zum Beispiel, daß sie dreiundzwanzig Wochen unterwegs gewesen seien, vierzehntausendfünfhundert Werst zurückgelegt und sechshundertachtundfünfzig Poststationen aufgesucht hätten und, er zögerte, zwölftausendzweihundertvierundzwanzig Pferde benützt, so ordne sich die Wirrnis zur Begreiflichkeit, und man fasse Mut. Aber während die ersten Vororte Berlins vorbeiflogen und Humboldt sich vorstellte, wie Gauß eben jetzt durch sein Teleskop auf Himmelskörper sah, deren Bahnen er in einfache Formeln fassen konnte, hätte er auf einmal nicht mehr sagen können, wer von ihnen weit herumgekommen war und wer immer zu Hause geblieben.

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