»Länger. Du hast Glück. Es ist eine sehr dauerhafte, lange blühende Rosensorte. Du reichst damit mindestens bis September. Und von da an gibt es hier dann Astern und Chrysanthemen. Komm, ich zeige sie dir auch gleich.«
Wir gingen durch den Garten. Die Rosen dufteten betäubend. Wie eine summende Wolke flogen Bienenschwärme von Blüte zu Blüte.
»Sieh dir das an«, sagte ich und blieb stehen.»Wo mögen die nur herkommen? Mitten in der Stadt? Hier gibt es in der Nähe doch gar keine Bienenkörbe. Oder glaubst du, daß die Pastoren welche auf ihren Dächern stehen haben?«
»Nein, Bruder«, erwiderte Lenz.»Die kommen todsicher von irgendeinem Bauernhof. Sie kennen nur eben ihren Weg.«Er zwinkerte mit den Augen.»Wir nicht, was?«
Ich hob die Schultern.
»Vielleicht doch. Wenigstens ein kleines Stück. Soweit man es eben kann. Du nicht?«
»Nein. Will's auch gar nicht wissen. Ziele machen das Leben bürgerlich.«
Ich blickte zum Domturm hinauf. Seidengrün stand er vor dem blauen Himmel, unendlich alt und ruhig, von Schwalben umflogen.
»Wie still es hier ist«, sagte ich.
Lenz nickte.»Ja, mein Alter, hier merkt man, daß einem eigentlich nur Zeit gefehlt hat, um ein guter Mensch zu werden, was?«
»Zeit und Ruhe«, erwiderte ich.»Ruhe auch.«
Er lachte.»Zu spät! Jetzt ist es schon so weit, daß man die Ruhe nicht mehr aushaken könnte. Also los! Wieder hinein in den Radau!«
Ich setzte Gottfried ab und fuhr zum Stand zurück. Unterwegs kam ich am Friedhof vorbei. Ich wußte, daß Pat jetzt in ihrem Liegestuhl auf dem Balkon lag, und hupte ein paarmal. Aber es zeigte sich nichts, und ich fuhr weiter. Dafür sah ich ein Stück weiter Frau Hasse in einer Art taftseidenem Umhang die Straße entlangrudern und um die Ecke verschwinden. Ich fuhr ihr nach, um sie zu fragen, ob ich sie irgendwo hinbringen könnte. Aber als ich an die Kreuzung kam, sah ich, daß sie in einen Wagen stieg, der hinter der Ecke gehalten hatte. Es war eine etwas klapprige Mercedeslimousine aus dem Jahre 23, die gleich darauf losratterte. Ein Mann mit einer Nase wie ein Entenschnabel und einem auffallend karierten Anzug saß am Steuer. Ich schaute dem Wagen ziemlich lange nach. Das kam also dabei heraus, wenn eine Frau dauernd allein zu Hause saß. Nachdenklich fuhr ich zum Stand und stellte mich in die Reihe der wartenden Taxis.
Die Sonne brütete auf das Verdeck. Es ging nur langsam vorwärts. Ich döste vor mich hin und versuchte zu schlafen. Doch das Bild von Frau Hasse ging mir nicht aus dem Kopf. Es war etwas ganz anderes, aber schließlich war Pat auch den ganzen Tag allein.
Ich stieg aus und ging nach vorn zu Gustavs Wagen.»Hier, trink mal«, forderte er mich auf und hielt mir eine Thermosflasche hin.
»Wunderbar kalt! Eigene Erfindung! Kaffee mit Eis. Bleibt stundenlang so bei der Hitze. Ja, Gustav ist praktisch!«
Ich nahm einen Becher und trank ihn aus.»Wenn du so praktisch bist«, sagte ich,»dann erzähl mir doch mal, wie man einer Frau etwas Unterhaltung verschaffen kann, wenn sie viel allein ist.«
»So was Einfaches!«Gustav sah mich überlegen an.»Mensch, Robert! Ein Kind oder ein Hund! Frag mich mal was Schwereres!«
»Ein Hund!«sagte ich überrascht,»verflucht ja, ein Hund! Da hast du recht! Mit einem Hund ist man nie allein.«
Ich bot ihm eine Zigarette an.»Hör mal, hast du zufällig eine Ahnung von so was? So ein Köter muß doch jetzt billig zu kaufen sein.«
Gustav schüttelte vorwurfsvoll den Schädel.»Aber Robert, du weißt wahrhaftig noch gar nicht, was du an mir hast! Mein künftiger Schwiegervater ist doch zweiter Schriftführer vom Dobermannpinscherverein! Natürlich kannst du einen Jungrüden haben, umsonst sogar, erstklassige Blutführung. Wir haben da einen Wurf, vierzwei, Großmutter Siegerin Hertha von der Toggenburg.«
Gustav war ein gesegneter Mensch. Der Vater seiner Braut war nicht nur Dobermannzüchter, sondern auch Gastwirt, Besitzer der Neuen Klause – seine Braut besaß außerdem eine Plisseeplätterei. Gustav stand sich dadurch erstklassig. Beim Schwiegervater aß und trank er umsonst, und die Braut wusch und plättete seine Hemden. Er hütete sich zu heiraten. Dann war er es, der sorgen mußte.
Ich erklärte Gustav, daß ein Dobermann nicht das richtige sei. Er wäre mir zu groß und nicht zuverlässig im Charakter. Gustav überlegte nur kurz.»Komm mal mit«, sagte er.»Wollen mal spekulieren gehen. Ich weiß da was. Darfst mir nur nicht dazwischenreden.«
»Gut.«
Er führte mich zu einem kleinen Geschäft. Im Schaufenster standen veralgte Aquarien. In einer Kiste hockten ein paar trübselige Meerschweinchen. An den Seiten hingen Käfige mit rastlos herumturnenden Zeisigen, Dompfaffen und Kanarienvögeln.
Ein krummbeiniger kleiner Mann mit einer braunen Strickweste kam uns entgegen. Wässerige Augen, fahle Haut, ein Leuchtkolben als Nase: Bier- und Schnapstrinker.
»Sag mal, Anton, was macht Asta?«fragte Gustav.
»Zweiter Preis und Ehrenpreis in Köln«, erwiderte Anton.
»Gemeinheit!«erklärte Gustav.»Warum nicht den ersten?«»Den ersten ha'm sie Udo vom Blankenfels gegeben«, knurrte Anton.