Sie wohnten in einer
Im August 1939 immatrikulierte sich Mark an der Moskauer Staatlichen Technischen Universität Bauman, die er im März 1945 absolvierte. Während der Evakuierung der Universität – vom 2. April 1942 bis zum 17. Juni 1943 – befand er sich in Ischewsk, wo ihn das Schicksal zum ersten Mal mit meiner Mutter zusammenführte.
Auf der ersten Seite seines Arbeitsbuchs befindet sich eine ungewöhnliche Berufskombination: «Fräser, Pädagoge». Doch die Evakuierung verlief für die Studentenschaft seiner Universität hauptsächlich so: Die Hälfte der Zeit verbrachte man in den Hörsälen, die andere Hälfte musste man an der Werkbank eines Rüstungsbetriebes arbeiten.
Zu Beginn seines beruflichen Laufbandes gab es das tatarische Prothesen-Instandsetzungswerk in Kasan, wohin er als Produktionsleiter versetzt wurde. Nach einer etwa halbjährigen Tätigkeit in Kasan wurde er nach Moskau verlegt, in die Zentrale der Prothesen-Industrie des Ministeriums für Sozialfürsorge der UDSSR (s.g. «Glawprothes», oder «Glawk»). Dort arbeitete er etwa 8 Jahre von 1947–1955 zuerst als führender Technologe einer Technikabteilung, danach als erster Mechaniker einer technischen Produktionsabteilung. Es waren vor allem die Jahre, die durch uneingeschränkten Obskurantismus und den sogennanten Kampf gegen Kosmopoliten gekennzeichnet waren.
Danach spielte sich seine Karriere zeitlich noch in drei verschiedenen Abschnitten von je 10–20 Jahren ab. 1955–1966 war er Direktor eines Experimentalbetriebs, eines wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Prothesentechnik und Prothesenherstellung in der Stadt Reutowo bei Moskau. Dann arbeitete er zwischen 1966 und 1977 in dem selben Institut in Moskau, zuerst als Leiter eines Laboratoriums für experimentelle Prothesentechnik, danach als Leiter einer Abteilung für wissenschaftliche Information und Patentrechte. In dieser Etappe im Jahre 1971 promovierte er über das Thema: «Untersuchung der Bewegungselemente auf frontaler Ebene beim Gehen der gesunden und der prothesierten Menschen».
Der letzte Zeitabschnitt sollte der längste sein. 1977–1996 war er Dozent des Moskauer Staatlichen Instituts für Kultur, wo er Informatik und Kommunikationstheorie unterrichtete.
Die Mutter
Bella Markowna (Bejlia Mendeleewna) London wurde am 18. März 1923 in Polozk, früher einer stolzen slawischen Feststadt, aber damals eher ein bescheidenes weißrussisches Städtchen, das sich von einem großen Dorf nur schwer unterschied. Häuser, Gärten, Zäune, Hunde, alles wie auf dem Land.
Zuhause nannte man sie Beba und die ältere Schwester Rimma, die 1919 – in einem viel unruhigeren Jahr auf die Welt kam, wurde Riwa genannt. Ungeachtet davon war die Kindheit der Schwestern friedfertig und glücklich.
Ihr Vater, ein sehr erfahrener Setzer, arbeitete in einer staatlichen Druckerei. Obwohl sein Gehalt gar nicht üppig war, insgesamt 35 Rubel, so reichte es doch aus, um in einem Haus (Kommunistitscheckaja Straße, 74) zu Leben. Man lebte bescheiden, aber gut. Die Mutter Lija (Lisa, Elisaweta) Morduchowna, war eine Hausfrau, die sehr schmackhafte Gerichte kochte und durch Kochen ein wenig hinzuverdiente. Eine Musikschullehrerin wr bei ihr zu Kost.
Als Beba zur Schule kam (Mittelschule Nr. 12 der Stadt Polozk), erhielt sie jedes Jahr Auszeichnungen und Anerkennungsurkunden mit den Profilen der Anführer des Marxismus-Leninismus oben. Im Juni 1941 absolvierte sie die städtische Schule in Polozk. Am 20. Juni klingelte zum letzten Mal die Schulglocke, den Schulabsolventen wurden Zeugnisse ausgehändigt, abends fand ein Abschlussball statt. Wie alle jüdischen Jungen und Mädchen ihrer Klasse träumte auch sie von einem Studium und wollte dafür nach Moskau gehen. Am nächsten Tag, dem 21. Juni, schickte sie ihr Zeugnis und andere Unterlagen für die Aufnahme an der Universität nach Moskau zu ihrer älteren Schwester Rimma, die damals schon Fremdsprachen studierte und und im Wohnheim ihrer Universität auf Marosseika Straße wohnte. Sie schickte die Papiere mit dem Deutschlehrer, der nach Moskau fuhr, worüber sie ein sehr leichtsinniges folgendes Telegramm an ihre Schwester gab: «Triff den Deutschen mit dem Schnellzug». Es ging aber glatt, nur an dem nächsten Tag traf das ganze Land den «Deutschen» mit Blut und Fleisch.