Читаем Gertrud / Гертруда. Книга для чтения на немецком языке полностью

Erst während der letzten Schuljahre, als alle meine Kameraden von ihren künftigen Berufen zu reden begannen, fing auch ich an, hierüber nachzudenken. Die Musik zu meinem Beruf und Erwerb zu machen, lag mir eigentlich fern; doch konnte ich mir keinen andern Beruf denken, der mir Freude gemacht hätte. Ich hatte gegen den Handel oder andere Gewerbe, die mein Vater mir vorschlug, keinen Widerwillen, sie waren mir nur gleichgültig. Aber da meine Kameraden so stolz auf die von ihnen gewählten Berufe taten, vielleicht auch eine Stimme in mir dafür eintrat, schien es mir doch gut und richtig, das zu meinem Beruf zu machen, was ohnehin meine Gedanken ausfüllte und mir allein rechte Freude machte. Es kam mir zustatten, dass ich seit meinem zwölften Jahre das Violinspielen begonnen und unter einem guten Lehrer etwas Rechtes gelernt hatte. So sehr nun mein Vater sich wehrte und davor bangte, seinen einzigen Sohn die ungewisse Laufbahn eines Künstlers einschlagen[6]zu sehen, gerade an seinem Widerstand wuchs mein Wille, und der Lehrer, der mich gern hatte, trat für meinen Wunsch nach Kräften ein. Am Ende gab mein Vater nach, es wurde mir nur zur Prüfung meiner Ausdauer und in der Hoffnung auf eine Sinnesänderung noch ein Schuljahr zudiktiert, das ich mit leidlicher Geduld absaß und währenddessen ich meines Begehrens nur sicherer wurde.

Während dieses letzten Schuljahres verliebte ich mich zum erstenmal in ein hübsches junges Fräulein unserer Bekanntschafft. Ohne sie viel zu sehen und auch ohne sie stark zu begehren, genoss und durchlitt ich die süßen Bewegungen der ersten Liebe wie in einem Traume. Und in dieser Zeit, da ich den ganzen Tag ebensosehr an meine Musik wie an meine Liebe dachte und nachts vor herrlicher Erregung nicht schlafen konnte, hielt ich zum erstenmal mit Bewusstsein Melodien fest, die mir einfielen, zwei kleine Lieder, und versuchte sie aufzuschreiben. Das erfüllte mich mit einem schamhaften, doch durchdringenden Vergnügen, über dem ich meine spielerische Liebesnot fast ganz vergaß. Inzwischen hörte ich, dass meine Geliebte Singstunden nehme, und war sehr begierig, sie einmal singen zu hören. Nach Monaten ward mein Wunsch erfüllt, bei einer Abendgesellschafft im Haus meiner Eltern. Das hübsche Mädchen ward aufgefordert zu singen, wehrte sich heftig und musste am Ende doch und ich wartete darauf mit einer ungeheuren Spannung. Ein Herr begleitete an unserem kleinen schmalen Klavierchen, er spielte ein paar Takte, und sie begann. Ach, sie sang schlecht, traurig schlecht, und noch während sie sang, verwandelte sich meine Bestürzung und Qual zu Mitleid und dann zu Humor, und künftig war ich dieser Verliebtheit ledig.

Ich war ein geduldiger und nicht gerade unfleißiger, aber kein guter Schüler, und im letzten Jahr gab ich mir vollends wenig Mühe mehr. Daran war nicht Trägheit und auch nicht meine Verliebtheit schuld, sondern ein Zustand jünglinghafter Träumerei und Gleichgültigkeit, eine Dumpfheit der Sinne und des Kopfes, die nur zuweilen plötzlich und heftig unterbrochen ward, wenn eine von den wunderbaren Stunden verfrühter schöpferischer Lust mich wie in Äther hüllte. Dann fühlte ich mich von einer überklaren, kristallenen Luft umgeben, in der kein Träumen und Vegetieren möglich war, wo alle Sinne sich geschärft und wachsam auf die Lauer legten[7]. Was in diesen Stunden entstand, war wenig, vielleicht zehn Melodien und einige Anfänge harmonischer Gestaltungen; aber die Luft dieser Stunden vergaß ich nimmer, diese überklare, fast kalte Luft und diese gespannte Zusammenfassung der Gedanken, um einer Melodie die rechte, einzige, nicht mehr zufällige Bewegung und Lösung zu geben. Zufrieden war ich mit diesen kleinen Leistungen nicht und hielt sie nie für etwas Gültiges und Gutes, aber das wurde mir klar, dass in meinem Leben nichts so begehrenswert und wichtig sein werde wie die Wiederkehr solcher Stunden der Klarheit und des Schaffens.

Daneben kannte ich auch Tage des Schwärmens, wo ich auf der Geige phantasierte und den Rausch flüchtiger Einfälle und farbiger Stimmungen genoss. Nur wusste ich bald, dass das kein Schaffen war, sondern ein Spielen und Schwelgen, vor dem ich mich zu hüten habe. Ich merkte, dass es ein anderes Ding ist, seinen Träumen nachzugehen und berauschte Stunden auszukosten, als unerbittlich und klar mit den Geheimnissen der Form wie mit Feinden zu ringen. Und ich merkte schon damals etwas davon, dass ein rechtes Schaffen einsam macht und etwas von uns verlangt, was wir dem Behagen des Lebens abbrechen müssen.

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Джеймс Джойс – великий ирландский писатель, классик и одновременно разрушитель классики с ее канонами, человек, которому более, чем кому-либо, обязаны своим рождением новые литературные школы и направления XX века. В историю мировой литературы он вошел как автор романа «Улисс», ставшего одной из величайших книг за всю историю литературы. В настоящем томе представлена вся проза писателя, предшествующая этому великому роману, в лучших на сегодняшний день переводах: сборник рассказов «Дублинцы», роман «Портрет художника в юности», а также так называемая «виртуальная» проза Джойса, ранние пробы пера будущего гения, не опубликованные при жизни произведения, таящие в себе семена грядущих шедевров. Книга станет прекрасным подарком для всех ценителей творчества Джеймса Джойса.

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