»Ich kann euch jetzt nicht reinlassen«, schnaufte er,»Norbert ist in einer schwierigen Phase, aber damit werd ich schon fertig.«
Sie erzählten ihm von Charlies Brief, und seine Augen füllten sich mit Tränen, wenn auch vielleicht nur deshalb, weil Norbert ihn gerade ins Bein gebissen hatte.
»Aaah! Schon gut, er hat nur meinen Stiefel – spielt nur – schließlich ist er noch ein Baby.«
Das Baby knallte mit dem Schwanz gegen die Wand und ließ die Fenster klirren. Harry und Hermine gingen zum Schloß zurück mit dem Gefühl, der Samstag könne gar nicht schnell genug kommen.
Für Hagrid wurde es allmählich Zeit, sich von Norbert zu verabschieden, und er hätte ihnen Leid getan, wenn sie nicht so aufgeregt überlegt hätten, wie sie am besten vorgehen sollten. Es war eine sehr dunkle, wolkige Nacht, und als sie bei Hagrid ankamen, war es schon ein bißchen spät. Sie hatten in der Eingangshalle warten müssen, bis Peeves, der Tennis gegen die Wand spielte, den Weg freimachte.
Hagrid hatte Norbert schon in einen großen Korb gepackt.
»Er hat 'ne Menge Ratten und ein wenig Schnaps für die Reise«, sagte er mit dumpfer Stimme.»Und ich hab seinen Teddybären eingepackt, falls er sich einsam fühlt.«
Aus dem Korb drang ein schauriges Geräusch und Harry kam es vor, als ob dem Teddybären gerade der Kopf abgerissen würde.
»Mach's gut, Norbert«, schluchzte Hagrid, als Harry und Hermine den Korb mit dem Tarnumhang bedeckten und dann selbst darunter schlüpften.»Mammi wird dich nie vergessen!«
Wie sie es schafften, den Korb zum Schloß hochzubringen, wußten sie selbst nicht. Mitternacht rückte tickend näher, während sie Norbert die Marmorstufen zur Eingangshalle emporhievten und die dunklen Korridore entlangschleppten. Noch eine Treppe hoch und noch eine – selbst eine von Harrys Abkürzungen machte die Arbeit nicht viel leichter.
»Gleich da«, keuchte Harry, als sie den Gang zum höchsten Turm erreicht hatten.
Vor ihnen bewegte sich etwas und vor Schreck ließen sie beinahe den Korb fallen. Daß sie unsichtbar waren, hatten sie ganz vergessen, und so verdrückten sie sich in die Schatten und starrten auf die dunklen Umrisse zweier Gestalten, die drei Meter entfernt miteinander rangen. Eine Lampe flammte auf.
Professor McGonagall, ein Haarnetz über dem Kopf und in einen Morgenmantel mit Schottenmuster gehüllt, hielt Malfoy am Ohr gepackt.
»Strafarbeit!«, rief sie.»Und zwanzig Punkte Abzug für Slytherin! Mitten in der Nacht umherschleichen, wie können Sie es wagen -«
»Sie verstehen nicht, Professor, Harry Potter ist auf dem Weg – er hat einen Drachen!«
»Was für ein ausgemachter Unsinn! Woher nehmen Sie die Stirn, mir solche Lügen zu erzählen! Kommen Sie, ich werde mit Professor Snape über Sie sprechen, Malfoy!«
Die stelle Wendeltreppe zur Spitze des Turms schien danach die leichteste Übung der Welt. Erst als sie in die kalte Nachtluft hinausgetreten waren, warfen sie den Mantel ab, froh, endlich wieder frei atmen zu können. Hermine legte einen kleinen Stepptanz hin.
»Malfoy bekommt eine Strafarbeit! Ich könnte singen vor Freude!«
»Du's lieber nicht«, riet ihr Harry.
Beim Warten machten sie sich über Malfoy lustig, während Norbert in seinem Korb tobte. Zehn Minuten vergingen und dann kamen vier Besen aus der Dunkelheit herabgeschwebt.
Charlies Freunde waren ein lustiges Völkchen. Sie zeigten Harry und Hermine das Geschirr, das sie für Norbert zusammengebastelt hatten, so daß sie ihn zwischen sich aufhängen konnten. Alle zusammen halfen, Norbert sicher darin unterzubringen, dann schüttelten Harry und Hermine den andern die Hände und dankten ihnen herzlich.
Endlich war Norbert auf dem Weg… fort… fort… verschwunden.
Sie schlichen die Wendeltreppe wieder hinab, nun, da Norbert fort war, mit Herzen, so leicht wie ihre Hände. Kein Drache mehr, Malfoy bekam eine Strafarbeit, was konnte ihr Glück jetzt noch stören?
Die Antwort darauf wartete am Fuß der Treppe. Als sie in den Korridor traten, erschien aus der Dunkelheit plötzlich das Gesicht von Filch.
»Schön, schön, schön«, flüsterte er.»jetzt haben wir wirklich ein Problem.«
Oben auf dem Turm lag der Tarnumhang.
Der verbotene Wald
Es hätte nicht schlimmer kommen können.
Filch brachte sie hinunter ins Erdgeschoß ins Studierzimmer von Professor McGonagall, und da saßen sie und warteten, ohne ein Wort miteinander zu reden. Hermine zitterte. Ausreden, Alibis und hanebüchene Vertuschungsgeschichten schossen Harry durch den Kopf, die eine kläglicher als die andere. Diesmal konnte er sich nicht vorstellen, wie sie sich aus diesem' Schlamassel herauswinden sollten. Sie saßen in der Falle. Wie konnten sie nur so dumm sein und den Umhang vergessen? Professor McGonagall würde aus keinem Grund der Welt gutheißen, daß sie nicht im Bett lagen und in tiefster Nacht in der Schule umherschlichen, geschweige denn, daß sie auf dem höchsten Turm waren, der, außer im Astronomie-Unterricht, für sie verboten war. Wenn sie dann noch von Norbert und dem Tarnumhang erfahren hatte, konnten sie genauso gut schon ihre Koffer packen.