Читаем Liebe Deinen Nächsten полностью

»Nein. Das Haus ist bewacht.«

»Ist ihr etwas passiert?«

Der Freund schüttelte den Kopf und ging.

Steiner fragte immer dasselbe. Jede Nacht. In der vierten Nacht brachte der Freund endlich die Nachricht, daß er sie gesehen habe. Sie wisse jetzt, wo er sei. Er habe es ihr zuflüstern können. Morgen sähe er sie wieder. Auf dem Wochenmarkt im Gedränge. Steiner verbrachte den nächsten Tag damit, ihr einen Brief zu schreiben, den der Freund ihr zustecken sollte. Abends zerriß er ihn. Er wußte nicht, ob man sie beobachtete. Nachts bat er aus demselben Grunde den Freund, sie nicht mehr zu treffen. Er blieb noch drei Nächte in der Kammer. Endlich kam der Freund mit Geld, einer Fahrkarte und einem Anzug. Steiner schnitt sich das Haar und wusch es mit Wasserstoffsuperoxyd hell. Dann rasierte er sich den Schnurrbart ab. Vormittags verließ er das Haus. Er trug eine Monteurjacke und einen Kasten mit Werkzeug. Er sollte sofort aus der Stadt hinaus; aber er wurde schwach. Es war zwei Jahre her, daß er seine Frau gesehen hatte. Er ging zum Wochenmarkt. Nach einer Stunde kam sie. Er fing an zu zittern. Sie ging an ihm vorüber, aber sie sah ihn nicht. Er folgte ihr, und als er dicht hinter ihr war, sagte er:»Sieh dich nicht um! Ich bin’s! Geh weiter! Geh weiter!«

Ihre Schultern zuckten, und sie warf den Kopf zurück. Dann ging sie weiter. Aber es war, als wäre sie nur noch ein einziges Lauschen nach rückwärts.

»Hat man dir etwas getan?« fragte die Stimme hinter ihr.

Sie schüttelte den Kopf.

»Beobachtet man dich?«

Sie nickte.

»Jetzt?«

Sie zögerte. Dann schüttelte sie den Kopf.

»Ich gehe jetzt gleich. Will versuchen, durchzukommen. Ich kann dir nicht schreiben. Es ist zu gefährlich für dich.«

Sie nickte.

»Du mußt dich von mir scheiden lassen.«

Die Frau verhielt eine Sekunde den Schritt. Dann ging sie weiter.

»Du mußt dich von mir scheiden lassen. Du mußt morgen hingehen. Du mußt sagen, daß du dich wegen meiner Gesinnung scheiden lassen willst. Du hättest das alles früher nicht gewußt. Hast du es verstanden?«

Die Frau rührte den Kopf nicht. Sie ging steif aufgerichtet weiter.

»Versteh mich doch«, flüsterte Steiner. »Es ist nur, damit du in Sicherheit bist! Es würde mich verrückt machen, wenn sie dir was täten! Du mußt dich scheiden lassen – dann lassen sie dich in Ruhe!«

Die Frau antwortete nicht.

»Ich hebe dich, Marie«, sagte Steiner leise, zwischen den Zähnen hindurch, und die Augen flimmerten ihm vor Erregung. »Ich liebe dich, und ich gehe nicht weg, wenn du es nicht versprichst! Ich gehe zurück, wenn du es nicht versprichst! Verstehst du mich?«

Nach einer Ewigkeit, schien ihm, nickte die Frau.

»Versprichst du es mir?«

Die Frau nickte langsam. Ihre Schultern sanken zusammen.

»Ich biege jetzt ab und komme den Gang rechts herauf. Geh links herum und komme mir entgegen. Sprich nichts, tu nichts! Ich will dich nur noch einmal sehen. Dann gehe ich. Wenn du nichts hörst, bin ich durchgekommen.«

Die Frau nickte und ging rascher.

Steiner bog ab und ging die Gasse rechts hinauf. Sie war eingesäumt von den Buden der Schlächter. Frauen mit Körben feilschten vor den Ständen. Das Fleisch glänzte blutig und weiß in der Sonne. Es roch unerträglich. Die Schlächter schrien. Aber plötzlich versank alles. Das.Hacken der Beile auf den Holzklötzen wurde zum feinen Dengeln von Sensen. Eine Wiese war da, ein Kornfeld, Freiheit, Birken, Wind und der geliebte Schritt und das geliebte Gesicht. Ihre Augen faßten sich und ließen sich nicht los, und in ihnen war alles: Schmerz und Glück und Liebe und Trennung, das Leben schwankend hoch über ihren Gesichtern, voll und süß und wild, und der Verzicht, das rasende Kreisen der tausend flimmernden Messer.

Sie gingen und standen still zugleich, und sie gingen und wußten es nicht. Dann stürzte die Leere grell in Steiners Augen, und erst nach einer Weile unterschied er wieder die Farben und das Kaleidoskop, das sinnlos vor seinen Augäpfeln abrollte und nicht eindrang.

Er stolperte weiter, dann ging er rasch, so schnell er konnte, ohne aufzufallen. Er stieß die Hälfte eines geschlachteten Schweines von einem mit Wachstuch belegten Tisch, er hörte das Schimpfen des Schlächters wie das Rasseln einer Trommel, er lief um die Ecke der Budengasse und blieb stehen.

Er sah sie fortgehen vom Markt. Sie ging sehr langsam. An der Ecke der Straße blieb sie stehen und drehte sich um. So stand sie lange Zeit, das Gesicht etwas emporgehoben, die Augen weit offen. Der Wind zerrte an ihren Kleidern und drückte sie gegen ihren Körper. Steiner wußte nicht, ob sie ihn sah. Er wagte nicht, sich ihr noch einmal zu zeigen. Er ahnte, daß sie vielleicht zurücklaufen würde zu ihm. Nach einer Weile hob sie die Hände und legte sie um ihre Brüste. Sie hielt sie ihm hin. Sie hielt sich ihm hin. Sie hielt sich ihm hin in einer schmerzvoll leeren, blinden Umarmung, den Mund geöffnet, mit geschlossenen Augen. Dann wandte sie sich langsam ab, und die Schattenschlucht der Straße verschluckte sie.

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