In diesem Moment nahm ich eine Bewegung wahr: Aus der Decke hingen kinderarm dicke Stromkabel und an einem der Kabel hing etwas, ein langer Schatten, der leicht hin und her schwang, als werde er von einem Windstoß bewegt. Marcel drehte sich mit bleichem Gesicht zu mir um; er schien die Bewegung genauso wie ich wahrgenommen zu haben. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob ich sie mir nicht nur eingebildet hatte. Es war zu viel geschehen in den letzten Stunden, was mich in einen Strudel unwirklicher Wahnbilder gezogen hatte, und ich konnte nicht mehr behaupten, Wirklichkeit und Phantasiegebilde definitiv unterscheiden zu können. Vielleicht nahm ich diesmal die Wirkung des Gases gar nicht wahr, obwohl es schon tief in mein Bewusstsein eingedrungen war und mich nach und nach in eine Art Zombie verwandelte.
»Da scheint sich... jemand erhängt zu haben«, durchbrach Marcel meine sich überschlagenden Gedanken.
»Was?«
»Sehen wir uns das mal näher an«, sagte Marcel entschlossen. Er trat ein paar Schritte näher an die Stromkabel heran. Und plötzlich kicherte er wie ein Pennäler, der seinem Lehrer einen besonders schlechten Scherz gespielt hatte. »Ich glaube, jetzt sind wir auf dem besten Weg, komplett durchzudrehen.«
Zuerst fürchtete ich, dass sich sein Verstand in einem Strudel umfassender Desorientierung verlor, doch dann erkannte ich, was er meinte. Es war nichts weiter als ein schmutziger alter Laborkittel, der dort an den Stromkabeln hing und leicht im Luftzug der Lüftung hin und her wehte. Aus irgendeinem Grund erinnerte er mich an Hertzog: Aber ihm konnte er ja wohl kaum gehören. Verrückte Gedanken rasten wie auf einer Achterbahn durch mein Gehirn. Hatte es vor Majestic schon einmal eine ähnliche Geheimorganisation gegeben, waren wir alle austauschbar, hatte vor Doktor Hertzog hier jemand gewirkt und ebenfalls bereits irgendetwas untersucht und an irgendetwas herumgepfuscht, was mit den Ganglien zu tun hatte? War der Besuch bei Roswell im Jahr 1947 nicht bereits von langer Hand vorbereitet gewesen? Hatte Bach nicht berichtet, dass die politischen Berater fast eine Stunde lang auf Truman eingeredet hatten wie auf einen kranken Gaul, damit er der Aufforderung nach bedingungsloser Aufgabe nachkam? Waren vielleicht einige von ihnen bereits übernommen gewesen von den Ganglien und war es nicht der große, entscheidende Irrtum von Bach zu glauben, die Ganglien seien erst
Es passte alles nur zu gut zusammen. Vielleicht hatte die Symbiose aus den Grauen und ihren Ganglien schon im Ersten Weltkrieg an Fäden gezogen und dieses System im Zweiten Weltkrieg verfeinert, um danach die Welt mit all ihrer bis dahin entwickelten Technik zu übernehmen. Vielleicht hatten sie auf etwas gewartet, das erst 1947 zur Verfügung stand. Auf eine politische Konstellation, auf die Entwicklung einer anwendbaren Technik wie der der praktizierten Atomspaltung, auf ein chemisches Präparat, das für sie ein Medikament oder Grundlage für andere Substanzen sein mochte, auf die sie angewiesen waren.
»Der Kittel ist voller Farbkleckse und ölverschmiert«, sagte Marcel, der näher getreten war, »und so, wie er aussieht, hängt er schon ein paar Jahrzehnte hier. Nur gut, dass es hier keine Motten gibt – er wäre sonst längst zerfressen.«
»Mag sein. Aber das hilft uns auch nicht weiter.« Ich deutete in den Gang, der aus dem Raum hinausführte. »Gehen wir dort weiter.«
Marcel nickte nur stumm. Wir betraten den viel schmaleren Gang, der irgendwo vor uns im düsteren Nichts verschwand. Ich starrte angestrengt in das Halbdunkel, das trotz der Glühbirnen, die auch hier noch erstaunlich zuverlässig ihren Dienst taten, düster und unheimlich wirkte. Es erschien mir vollkommen sinnlos, einfach aufs Geratewohl weiter zu marschieren, und doch blieb uns nichts anderes übrig. Unser zielloses, panisches Vorgehen kam mir vor wie eine Szene aus den in den fünfziger Jahren populären phantastischen Filmen mit Titeln wie