»Roswell«, schnaubte Steel verächtlich. Es schien ihm ein diabolisches Vergnügen zu bereiten, mich mit seiner höhnischen Art zu quälen. »Roswell war eine Chance für die Menschheit. Sie hat sie zwischen den Fingern verstreichen lassen. Wie schon einige zuvor.«
Mit pochenden Schläfen drehte ich mich zu ihm um. »Eine Chance!«, schrie ich. »Versklavt zu werden von... von...«
»Ja, von was eigentlich?«, grinste Steel. Seine Pistole zielte genau auf meinen Kopf und ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass er mich niederknallen würde, wenn ich ihn ernsthaft reizen würde. »Du weißt doch überhaupt nichts, du neunmalkluges Stückchen Scheiße. Der Obermufti Bach begreift ja schon überhaupt nicht, was um ihn herum vorgeht. Und da bildet so ein dahergelaufener Bauernlümmel wie du sich ein, er könne den Kampf gegen uns aufnehmen. Erheiternd, wirklich erheiternd.«
Ich wusste nicht, was ihn so sprechen ließ, in der bösartigen Karikatur eines kleinen Gangsters aus der Gosse, den seine Skrupellosigkeit nach oben gespielt hatte. Möglicherweise hatte sich das Ganglion in Steel symbiotisch so mit seinem Wirt vereint, dass etwas Neues daraus entstanden war, eine bösartige Mutation, die alle schlechten Eigenschaften des Menschen mit der fremdartigen Bösartigkeit des Ganglions vereinte.
»Bist du noch nie auf den Gedanken gekommen, sie könnten uns über die Beschränktheit des menschlichen Verstandes hinaus auf eine neue Stufe der Evolution führen?«, fragte er. »Bist du noch nie auf den Gedanken gekommen, dass alles könnte erst der Anfang sein?«
Ich achtete nicht auf das wirre Schwafeln Steels. Denn Kim stand direkt neben ihm, ein dunkler Schatten in dem merkwürdig verschwommenen Licht, das die Szenerie nur undeutlich ausleuchtete. Ich hatte Angst davor, was ich in ihrem Gesicht lesen würde.
Es war schlimmer, als ich gedacht hatte. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich vollkommen verändert. Die Wangenknochen schienen ein Stück nach oben gekrochen zu sein und die Wangen eingefallen, was ihr Gesicht gleichzeitig länger als auch merkwürdig dürr wirken ließ. Das Schlimmste aber war dieser vollkommen fremdartige Ausdruck in den Augen, ein kaltes Starren, das mehr Ähnlichkeit mit dem einer Schlange hatte als mit dem eines Menschen.
»Was... habt ihr mit ihr gemacht?«, keuchte ich.
»Gemacht?«, fragte Steel in einem Tonfall, wie ihn vielleicht ein Lehrer gegenüber einem begriffsstutzigen Schüler verwendet. »Das ist wohl der verkehrte Ausdruck. Nein, Kimberley kann sich stolz schätzen.« Er schien ein Stück zu wachsen. »Wir sind die Protagonisten einer neuen Rasse.« Er kicherte. »Wir und Ray natürlich. Dein guter alter Bruder Ray. Ist das nicht ein Witz, Loengard? Das, was du bekämpfen wolltest, hat sich ausgerechnet in deiner Familie eingenistet.«
»Was soll dieser ganze Mist«, mischte sich Marcel ein.
»Du«, zischte Steel. Die Pistole in seiner Hand schien wie ein verlängerter Finger durch die Dunkelheit zu schneiden, um Marcel aufzuspießen. »Was bist du doch für ein kümmerlicher Wurm. Ein Nichts. Ein Versager. Stocherst dein ganzes Leben im Schlamm herum und findest überhaupt nichts. Aber jetzt bist du am Ziel.« Er lachte meckernd. »Du gehörst zu den wenigen Auserwählten, die dazu bestimmt sind, unsere Botschaft in die Welt hinauszutragen.«
Der aus der Lüftungsanlage gedrückte Gestank wurde immer schlimmer. Die Luft wich aus meinen Lungen und hinterließ in meinen Atemwegen ein krampfhaftes, erstickendes Gefühl. Ich spürte, wie mir heißer öliger Schweiß über die Stirn lief. Mein Kopf war merkwürdig leicht. Die Welt hatte keine Farben. Mir war fürchterlich übel. Jetzt roch es nicht mehr nach Rosen und Bittermandeln, sondern nach totem Fleisch, das irgendwo im Verborgenen faulte.
»Aber es wird Zeit, dass wir es hinter uns bringen«, fuhr Steel fort. »Der nächste Schritt wird eingeleitet. Wir wissen jetzt, wie Menschen funktionieren; seit Roswell haben wir so vielen Gastrecht gewährt, die uns lehrten, wie Menschen denken, und denen wir dafür ein ganz besonderes Geschenk bereiteten.« Er lachte sein abscheuliches Lachen. »Erinnerst du dich nicht an diesen heißen Maitag 1953, Marcel, als dein Wagen plötzlich stotternd liegen blieb? Weißt du nicht mehr, dass du erst am nächsten frühen Morgen zu dir kamst, 20 Meilen weiter, direkt am Ortsschild von Radar Town? Hast du vergessen, was in der Zwischenzeit geschah? Hast du immer noch nicht begriffen, als die Hills selbst unter Hypnose aussagten, sie seien von uns entführt worden, und alle großen Fernsehanstalten darüber berichteten?«
»Was?«, keuchte Marcel. Seine Stimme hatte einen verzweifelten Klang angenommen und alle Kraft verloren, mit der er uns in den letzten Stunden angefeuert hatte. »Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass du vorbereitet bist«, antwortete Steel fröhlich.