Steel lächelte immer noch, aber es war kein triumphierendes Lächeln, sondern das eiskalte Grinsen einer Metallpuppe, deren Züge für immer fest gegossen sind. Er hielt beide Arme leicht angewinkelt, in der grotesken Parodie einer angedeuteten Umarmung. Es kam mir nicht im Geringsten in den Sinn, dass ich in Gefahr sein könnte. Es war die Andeutung eines Irrsinns, die mich gefangen hielt, ein Irrsinn, der von Steel und Kim auf mich übergesprungen zu sein schien und dessen eisiger Hauch mich lähmte und willenlos machte.
»Schluss jetzt«, sagte Marcel hinter mir. »Hört sofort mit dem Affentheater auf. Nehmen Sie die Hände hoch, Steel, und drehen Sie sich zur Wand um.«
Steels Blick löste sich von mir, glitt an Kim vorbei und bohrte sich irgendwo hinter mir ins Halbdunkel. Ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie Marcel hinter mir stand, die entsicherte Pistole wie selbstverständlich in seinen Bürokratenhänden haltend, mit einem sicheren und doch von angespannter Aufmerksamkeit gezeichneten Stand wie ein Cop, der irgendwo in Harlem an einer Razzia beteiligt war und sich nun plötzlich allein in einem Hinterhof einer zu allem entschlossenen schwarzen Jugendgang gegenübersah. Marcel mit seiner Hornbrille und dem unmöglich braven Anzug; das war das Stück Normalität, das mich aus meiner Erstarrung riss.
Ich erwischte Kim gerade noch, als sie an mir vorbei auf Steel zuging, packte sie am Arm und hielt sie fest. Sie wehrte sich nicht.
»John, Kim, zur Seite«, befahl Marcel. Wahrscheinlich hatte er Sorge, wir könnten ihm sein Schussfeld versperren.
Steel runzelte die Stirn. So, wie er da stand, mit den immer noch angewinkelten Armen, dem hellroten Blutfleck auf seinem weißen Hemd, der das Einschussloch von Albanos Kugel markierte, und dem starren, aber nicht minder entschlossenen Gesichtsausdruck, wirkte er merkwürdig unbesiegbar. Sein glasiges, fast weißes Auge wanderte zu mir zurück und ein Ausdruck des Missfallens erschien auf seinem Gesicht, als er meinen festen Griff um Kimberleys Arm bemerkte.
Kim wandte im gleichen Moment den Kopf zu mir um; ihr schönes, ebenmäßiges Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse des Schreckens und einen Moment fürchtete ich, dass sie versuchen würde sich loszureißen, um auf Steel zuzustürmen, genau in die Schusslinie Marcels hinein. Aber dann stabilisierten sich ihre Gesichtszüge und ihre Mundwinkel verzogen sich sogar zur Andeutung eines Lächelns.
»Es ist schon okay«, sagte sie sanft. »Lass mich einfach los, ja?«
Ich wollte etwas erwidern, aber nach einem Blick in ihr bleiches, angespanntes Gesicht ließ ich es lieber bleiben. Mir wurde plötzlich klar, dass ich einer unvermeidlichen Konfrontation nun wieder ein Stück näher gekommen war. Vielleicht war das auch gut so. Die Sache musste sich entscheiden, so oder so. Irgendwie fühlte ich bei dem Gedanken sogar eine Erleichterung, wie ich sie schon seit Tagen nicht mehr empfunden hatte; vielleicht, weil eine Entscheidung auch bedeuten würde, dass der Wahnsinn dann ein Ende hatte.
»Lass sie endlich gehen«, sagte Steel. »Du kannst sie nicht festhalten. Was passieren muss, wird passieren.«
Kim war in einem fürchterlichen Zustand. Ihre Wangen glühten, als hätte sie Fieber. Aber es war ein anderes Feuer, das in ihr brannte, ein Feuer, das ich niemand anderem gönnte als mir selbst und von dem ich mir nie hatte träumen lassen, dass ausgerechnet Steel es würde entfachen können. Aber so war es ja auch nicht; was immer in ihr vorging, es hatte wohl nichts mehr mit der Kimberley Sayers zu tun, die ich am Abend unseres ersten Rendezvous zu küssen versucht hatte und die daraufhin nur sanft den Kopf geschüttelt hatte, um zu sagen:
»Nein, ich werde sie nicht loslassen«, sagte ich fest.
»Das ist ungünstig«, sagte Steel kalt und in seiner Stimme schwang etwas mit, was ich nicht einordnen konnte. Es war nicht nur ein Befehlston, es war gleichzeitig viel mehr und viel weniger als das: Es war etwas wie lüsterne Begierde in seiner Stimme. »Wir werden jetzt vollenden, was wir vor viel längerer Zeit begonnen haben, als du dir überhaupt vorstellen kannst, Loengard.«