Mehrere meiner Bekannten, wie der Herzog v[on] Mirelli
, die Lieutenants Boecker, Pechin, Hartemenk, Kemerlink, der Cabinets-Courier Lang, waren mit einem früheren Transporte abgegangen. Meine Reisegefährten waren Krais und Bagnato, so wie der schon mehrmals erwähnte Laudon, und ein französischer Bedienter, der sich für einen Aide-de-Camp des Fürsten Poniatowsky ausgab, und sich Normann nannte, ein schlechter, boshafter, abgefeimter Kerl. Die Zahl der Unterofficiere und Soldaten betrug zwischen 200. und 250. Unsere Escorte bestand aus 1. Infanterie-Lieutenant mit 18. Mann vom 4.ten Infanterie-Regiment, und 30. Mann Pultawaischer187 Bauernkosaken.Der Marsch ging über Skydel, Kamienka, Zoludek, Beliza, NowoGrodek, Mir,
und Koydonowo, und am 7. Sept[ember] langten wir in einem Dorfe bey Minsk an, nachdem wir einen Weg von 84. Stunden // S. 142// zurückgelegt hatten. Unser TransportCommandant hatte unsere Lage nicht sowohl durch üblen Willen oder Bosheit, als vielmehr durch grobe Nachläsigkeit während des Marsches sehr erschwert. Er war täglich betrunken, und verlor dadurch alle Achtung seiner Untergebenen, oft sah er seine Befehle schlecht, oft gar nicht befolgt, und die armen Gefangenen waren zu Zeiten, wo er seiner Sinne nicht mehr mächtig war, mehr oder minder schlechter Behandlung theils von Seiten einiger seiner Leute, theils von Seiten der Landesbewohner oder Quartiersträger ausgesezt. Auf dem ganzen Marsche waren wir meistens in jüdischen Wirthshäusern, und nur ein paarmale bey Bauern, nie bey Edelleuten einquartirt worden. Dach und Fach hatten wir überall frey, dagegen mußten wir Essen und Trinken, zuweilen um hohe Preise, erkaufen, und etlichemale würden uns die Einwohner selbst gegen Bezahlung keine Lebensmittel abgelassen haben, wenn unser Transport-Commandant sich nicht ins Mittel geschlagen hätte. Unter diesen Umständen war es kein Wunder, daß wir nicht allein vom Gelde entblöst, sondern auch halb verhungert bey Minsk eintrafen. Die Einwohner der Orte, durch die wir zogen, waren überall gleichgültig gegen unsere Leiden, selbst hart gegen uns, und nur Einen Einwohner fanden wir, der nicht nur Menschlichkeit, sondern Gefühl gegen uns zeigte.Dieß war der Bürgermeister in NowoGrodek
, auf dessen // S. 143// Veranlassung wir unentgeldlich gespeist wurden. Dagegen trafen wir unterwegs in Swierzno einen russischen Militär, den Obersten de Fries, der sich theilnehmend nach unserer Lage erkundigte, und uns das dortige Quartier durch die Einladung zum Edelmann, dessen Freund er war, recht angenehm machte.Das Land hat auch hier den allgemeinen Character Pohlens. Die Dörfer sind meistentheils, wie ihre Bewohner, armselig, die Städtchen etwas besser, aber weit nicht so gut, wie in denjenigen Provinzen, die ehemals unter preussischer Herrschaft standen. Manche Edelsitze sind schön, und unter diesen zeichnen sich die Güter des Grafen v[on] Tiesenhausen
in und bey Zoludek, besonders aus.Während des Marsches hatte sich meine Augenkrankheit nach und nach verloren, mir jedoch eine Schwäche in den Augen zurückgelassen, die es mir unmöglich machte, auch nur eine halbe Stunde lang unausgesetzt mich mit Lectüre zu beschäftigen.
Im Uebrigen war der Zustand meiner Gesundheit, abgerechnet die Diarrhöe, die mich schon so lange verfolgte, jedoch nicht mehr heftig war, ziemlich gut. Aber am 3. Sept[em]b[e]r ward ich von einer Unpäßlichkeit befallen, die nach etlichen Tagen als ein eigentliches Nervenfieber sich aussprach, und von heftigem Durchfall begleitet war; da es bey dem Transport keinen Arzt gab, und ein solcher mir auch nichts genützt hätte, weil es an Arzneymitteln // S. 144// fehlte, so mußte der Krankheit ihr Lauf gelassen werden, bis wir bey Minsk
anlangten. Dort bemühte sich der Lieutenant v[on] Bagnato, mir die Aufnahme in einen Spital zu verschaffen, aber dieß gelang ihm erst, als ich vom Rande des Grabes durch die Kraft meiner Natur und die Hülfe einiger Arzneyen, die mir Dr. Schmidt von Minsk zugesandt hatte, zurückgekehrt war. Am 12. Sept[em]b[e]r ward ich dann in einen Spital gebracht, in welchem ich mit mehreren französischen Officieren , die theils verwundet, theils krank waren, und ihr Elend schwer fühlten, in Ein Zimmer logirt wurde. Die sorgliche Behandlung des Spitalarztes, dem ich von Dr. Schmidt besonders empfohlen war, brachte mich nun in wenigen Tagen so weit, daß ich nicht nur das Zimmer verlassen, sondern auch der Einladung des Dr. Schmidt zu seinem Mittagstisch folgen konnte. Hier ward mir eine angemessene und kräftige Kost, anfangs sparsam, nach und nach reichlicher gereicht, und in weniger als 14. Tagen ward ich wieder genesen.