Geheimniße vor ihren Feinden zu enthüllen. In den Dörfern waren wir gewöhnlich beym Edelmann einquartiert, und erhielten alles, was Küche und Keller vermochten, und ausserdem ward den gefangenen Soldaten an Lebensmitteln so viel als möglich zugesteckt. Weniger gut gieng es uns in den Städten, doch auch hier fanden sich meistens Einwohner, Edelleute, Beamte, Bürger, die unser Loos zu erleichtern suchten, und nicht selten uns in Wirthshäusern auf ihre Kosten artig und frugal bewirtheten. Die guten Pohlen ließen es aber hiebey nicht bewenden. Zwar machten sie uns keine Anerbietungen von Geld-Unterstützungen, weil sie wohl wußten, daß wir dergleichen nicht angenommen haben würden, dagegen halfen sie unserem und der Soldaten Mangel an Bekleidung und Weißzeug zuvorkommend ab. Schon im ersten polnischen Orte, in Faliszewo
, wo wir Rasttag hielten, ward mir von einer Tochter des Herrn v[on] Grumkewicz ein Hemd verfertigt. In Plock181 erbot sich sogar ein junges Frauenzimmer von guter Familie, dem Lieutenant Pechin zur Flucht behülflich zu seyn, und an seiner Statt in die Gefangenschaft zu gehen, natürlicherweise wies aber Pechin diesen Vorschlag gerührt zurück. Mehreremale wurden wir auf dem Marsche durch Dörfer von Edelleuten, einmal auch von einer Edeldame angehalten, um Erfrischungen bey ihnen einzunehmen, die uns für den ganzen Tag jede weitere Nahrung // S. 136// entbehrlich machten. Weniger willkommen waren wir den jüdischen Wirthen. Nicht nur hatten wir bey ihnen Alles, Dach und Fach182 ausgenommen, zu bezahlen, sondern sie verhehlten auch nicht, wie ungerne sie uns ungeachtet der Bezahlung bey ihnen sahen. Manche äusserten grose Furcht vor der Rückkehr der Franzosen, und mochten dazu ihre guten Gründe haben, doch gab es auch anders Gesinnte, die keine solche Besorgnisse blicken Hessen, und aus Menschlichkeit Gutes übten. Das allgemeine Uebel in Pohlen, die Unreinlichkeit, ward uns weniger zur Last, als früher, einestheils weil wir daran kein so groses Aergerniß mehr nahmen, und anderntheils, weil wir das Glück hatten, meistens in besseren Häusern unser Obdach zu finden. Indessen sah ich auch dießmal wieder, wie das Jahr vorher, an der Weichsel die eckelhafte Krankheit, die unter dem Namen des Weichselzopfs bekannt ist. Die Kopfhaare kleben zusammen, und dürfen in diesem Zustande weder gekämmt, noch abgeschnitten werden, indem lezteres unvermeidlich eine Abzehrung zur Folge hat. Der Kranke ist kraftlos und von bleicher schmeerartiger Gesichtsfarbe, mancher wird im Verlauf der Jahre, wenn die kranken Haare ausfallen, wieder hergestellt, manche andere befreit erst der Tod von ihrem Uebel. Bey den Pohlen ist diese Krankheit {723} weniger häufig, als bey den Juden, und die Ursachen mögen; neben örtlichen Einflüssen, besonders in der ausserordentlichen Unreinlichkeit liegen.Unser Verkehr mit den Edelleuten ward gewöhnlich in französischer // S. 137// oder deutscher Sprache geführt, wo aber, was jedoch selten war, der Edelmann keine von beiden Sprachen verstand, so half manchmal die lateinische aus, im Nothfalle aber waren immer Juden zur Hand, die neben der Landessprache, sämmtlich ein sehr verdorbenes Deutsch sprechen, und dieß ihre Sprache nennen.
Von dem Tage an, als wir das Herzogthum Warschau betraten, erhielt jeder Officier alle 5. Tage einen halben preussischen Thaler (50 Groschen) pro Tag zu seiner Subsistenz, und dieses wenige reichte in einem Lande, wo wir beinahe aller Orten freye Verpflegung fanden, zu Bestreitung unserer Bedürfnisse nicht nur hin, sondern machte es uns möglich, für schlimmere Zeiten ein kleines Capital zu sammeln. Diese Vorsicht kam uns bald wohl zu statten, denn beym Eintritt in Russisch Polen ward uns verkündet, daß wir fortan auf russiche Löhnung gesetzt seyen, und täglich einen halben Rubel in Papier, d[as] h[eißt] nach unserem Gelde 14. Kreutzer empfangen werden. Ein härterer Schlag hätte uns nicht treffen können, doch versicherten die sächsischen Officiere in Bialystok
, daß wir damit im Innern Rußlands wohl ausreichen können, und auf dem Marsche dahin gewiß zuweilen Quartiere finden werden, in denen wir die Verpflegung entweder frey, oder doch in sehr billigen Preisen erhalten würden.Das Land von der schlesischen Grenze bis zum Niemen ist mehr oder weniger eben, nirgends bergigt, es hat meistens Sand- oder doch leichten Boden, in einigen Gegenden, wie bey Pultusk
, sehr // S. 138// viele und grose Waldungen. Der Ackerbau ist beinahe die einzige Nahrungsquelle der Bewohner, die Viehzucht ist nicht von Bedeutung, eben so wenig die Pferdezucht. Fabriken und Manufacturen sind nirgends zu treffen, der Handel ist auf die wenigen Landes-Producte beschränkt. Die meisten Handwerke werden von Juden getrieben, wie diese auch beinahe die einzigen Wirthe sind.