Die Zahl meiner Unglücksgefährten hatte vom 28. May bis 12. Juli verschiedene Veränderungen erlitten. Von den Unteroffizieren und Soldaten waren unterwegs mehrere gestorben, andere als krank in Spitälern zurückgeblieben, in einigen Städtchen wurden dem Transport Reconvalescirte zugetheilt. Aus der Zahl der Officiere war der Capitän Fischer
am 3. Juni Abends in Czatowpansky mit unserm Vor wissen entflohen, und am 2. Juli waren in Tykoczym die Lieutenants Colliva und Rompani seinem Beispiele gefolgt. Von den beiden letzteren hörte ich nie wieder, den ersteren aber traf ich 10. Jahre später in Stuttgart, wo er sich // S. 131// einige Tage aufhielt. Nach der Flucht dieser dreye war ich allein mit dem widrigen sogenannten Adjutant Major oder Capitaine Laudon, der mich durch Weinen und Lachen, Bitten und Drohen, zum Uebertritt in die deutsche Legion zu bewegen suchte, der öfters Anfälle von Verrücktheit zeigte, und bald thätliche Angriffe auf mich machte, bald, wenn ich sie ernst und kräftig zurückgewiesen hatte, mein Mitleiden über seine Lage anflehte. Schon die Flucht Fischers hatte unsern Kosackenlieutenant aufgebracht, und noch in höherem Grade war dieß der Fall bey Colliva und Rompani, indessen war er auch dießmal bald wieder besänftigt. In Bialystok
ward er aber, wie er vorausgesagt hatte, dieser Vorfälle wegen, zu unserm grosen Leidwesen seines Commandos entsetzt, und dieses einem Lieutenant des vierten Infanterie-Regiments übertragen. Der brave Kosake nannte sich Elia Wasiliewicz, sein Familienname ist mir entfallen.Ausser unserem Transport zog noch ein anderer mit uns die gleiche Straße, bey dem die Zahl der Officiere gröser war, und aus Franzosen, und Italienern bestand. Mehreremale traf es sich, daß wir im nemlichen Orte unser Nachtquartier hatten, und da verfehlten wir dann nicht, einander zu besuchen, und einerseits178 durch wechselseitige Klagen uns unser Unglück fühlbarer zu machen, andererseits aber auch uns durch Gespräche zu erheitern. Oefters versuchten wir, unsere Transportcommandanten zur Vereinigung ihrer Transporte zu // S. 132// bewegen, aber unsere Bemühungen scheiterten am Interesse derselben. Bey dem zweiten Transporte traf ich den Herzog v[on]Mirelli
, der mir erzählte, daß er durch einige Lanzenstiche verwundet, am Tage unserer unglücklichen Recognoscirung gefangen genommen worden sey; Ein anderer Officier bey diesem Transporte war der Baron v[on] Montaran, Stallmeister des französischen Kaisers, in der Gegend von Gotha in Gefangenschaft gerathen, ein Pariser, den sein Loos besonders hart drückte, übrigens ein Mann von sehr gutem Character. Später kam ich noch oft mit ihm zusammen, und in Czernigow erwies er mir viele Artigkeiten. Ein dritter Officier war der Lieutenant Pechin vom 23.ten Regiment, ein junger Mensch, der sich durch seine unvertilgbare Heiterkeit bey allen beliebt gemacht hatte. In Bialystok trafen wir mehrere sächsische Officiere, die schon auf dem Rückzuge aus Rußland gefangen worden, und seit Kurzem aus dem Innern Rußlands hier angekommen waren, um, sobald sich Sachsen für die Sache Rußlands erklären würde, in ihr Vaterland zurückgeschickt zu werden. Mit vieler Bereitwilligkeit theilten sie uns ihre Schicksale mit, und gaben uns dadurch einen Begriff von dem, was uns bevorstand. Wenn diese Mittheilungen nicht sehr tröstlich waren, so vermehrten sie wenigstens unsere Besorgnisse nicht, vielmehr führten sie uns zur Ueberzeugung, daß unser Loos desto erträglicher werde, je weiter wir uns von dem Kriegsschauplätze // S. 133// des Jahres 1812. entfernen würden. Einer dieser Sachsen, der Stabschirurgus Hettermann, gab mir ein Empfehlungs-Schreiben an den Gouvernements-Medicinalraht, Dr. Schmidt in Minsk mit, das mir nachher von vielem Nutzen war, und mich zum grösten Danke gegen beide verpflichtete.