Dann wandte sich Jamie der Menge zu und begann, die Anwesenden aufzurufen. Ich hatte schon einmal gesehen, wie er das tat, viele Jahre zuvor in Schottland. Es war eine formelle Einladung und Benennung der Pächter durch den Gutsherrn, eine kleine Zeremonie, die oftmals am Quartalstag oder nach der Ernte stattfand. Hier und dort erhellte sich ein Gesicht, als es den Brauch wiedererkannte; viele der Highlandschotten kannten ihn, wenn er ihnen auch in diesem Land bis heute Abend noch nicht untergekommen war.
»Komm zu mir, Geordie Chisholm, Sohn des Walter, Sohn von Connaught, dem Roten!
Steht mir bei,
Kommt an meine Seite, Joseph Wemyss, Sohn des Donald, Sohn des Robert!« Ich lächelte, als ich sah, wie Mr. Wemyss auf uns zukam, verlegen, aber überglücklich darüber, in aller Öffentlichkeit als dazugehörig zu gelten. Er trug den Kopf stolz erhoben, und sein blondes Haar wehte wild im Wind des großen Feuers.
»Steh mir bei, Josiah, der Jäger!«
War Josiah Beardsley hier? Ja, da war er; eine schlanke, dunkle Gestalt glitt aus dem Schatten hervor und nahm schüchtern ihren Platz in der Gruppe ein, dicht bei Jamie. Ich fing seinen Blick auf und lächelte ihm zu; er wandte hastig den Blick ab, doch ein kleines, verlegenes Lächeln haftete an seinen Lippen, so als hätte er vergessen, dass es da war.
Als Jamie fertig war, war es eine beeindruckende Gruppe geworden – fast vierzig Männer, die Schulter an Schulter standen und nicht nur vom Whisky, sondern auch vor Stolz gerötet waren. Ich sah, wie Roger einen langen Blick mit Brianna wechselte, die ihn über das Feuer hinweg anstrahlte. Sie senkte den Kopf, um Jemmy etwas zuzuflüstern, der in seine Decken gewickelt im Halbschlaf auf ihrem Arm lag. Sie ergriff eine seiner kleinen Pfoten und winkte Roger schlaff damit zu. Roger lachte.
»…
Jamie ließ meine Hand los, bückte sich und hob einen trockenen Ast vom Boden auf. Er entzündete ihn und hielt ihn hoch, dann warf er den flammenden Stock hoch in die Luft, so dass er sich wieder und wieder überschlug, bevor er geradewegs ins Herz des Feuers stürzte.
»Die Frasers von Fraser’s Ridge sind hier!«, gellte er, und auf der Lichtung brach gewaltiger Beifall aus.
Auf dem Rückweg zur Fortsetzung der unterbrochenen Festlichkeiten weiter oben auf dem Hang fand ich mich neben Roger wieder, der fröhlich vor sich hinsummte. Ich legte ihm eine Hand auf den Ärmel, und er sah lächelnd zu mir herunter.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte ich und erwiderte das Lächeln. »Willkommen in der Familie – Sohn des Hauses.«
Er grinste breit.
»Danke«, sagte er. »Mum.«
Wir erreichten eine ebene Stelle und gingen einen Moment nebeneinander her, ohne etwas zu sagen. Dann sagte er in völlig verändertem Tonfall: »Das war … etwas ganz Besonderes, nicht wahr?«
Ich wusste nicht, ob er etwas historisch Besonderes oder etwas in persönlicher Hinsicht Besonderes meinte, doch er hatte in jedem Fall Recht, und ich nickte.
»Ich habe allerdings den Schluss nicht ganz mitbekommen«, sagte ich. »Und ich weiß nicht, was
»Oh … aye. Das weiß ich.« Hier zwischen den Feuern war es völlig dunkel; alles, was ich von ihm sehen konnte, war ein dunkler Fleck vor dem schwarzen Hintergrund der Büsche und Bäume. Doch es lag ein seltsamer Ton in seiner Stimme. Er räusperte sich.
»Es ist eine Art Eid. Er – Jamie – er hat uns einen Eid geschworen, seiner Familie und seinen Pächtern. Unterstützung, Schutz und so weiter.«
»Ach ja?«, sagte ich leicht verwundert. »Wie meinst du das, ›eine Art‹?«
»Na ja.« Er schwieg ein paar Sekunden, während er sich offensichtlich seine Worte zurechtlegte. »Es bedeutet eher ein Ehrenwort als nur einen Eid«, sagte er vorsichtig. »
Er stützte meinen Ellbogen mit seiner Hand, die überraschend kräftig war.
»Komm«, sagte er leise. »Ich helfe dir, hier ist der Boden rutschig.«
Kapitel 16
In der Nacht, in der wir Hochzeit halten
Singst du etwas für mich, Roger?«
Sie stand in der Öffnung des geborgten Zeltes und blickte ins Freie. Von innen konnte er nicht mehr von ihr sehen als ihre Silhouette vor dem Grau des bewölkten Himmels und ihr langes Haar, das sich im Regenwind bewegte. Sie hatte es bei der Hochzeit offen getragen – Maidenhaar, obwohl sie ein Kind hatte.