Sie strich sich das feuchte Haar aus dem Gesicht und nickte. Grey war zu ihr gekommen und hatte ihr gesagt, dass man Bonnet festgenommen und abgeurteilt hatte. Während er auf den Transport zu seiner Hinrichtung nach Wilmington wartete, hatte man ihn im Keller unter dem Lagerhaus der Krone in Cross Creek eingesperrt. Dort hatte sie ihn aufgesucht und ihm etwas gebracht, wovon sie hoffte, dass es die Absolution war – für Bonnet, für sie selbst.
»Ich war hochschwanger.« Mit der Hand zeichnete sie den Kugelbauch ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft vor sich in die Luft. »Ich habe ihm gesagt, das Baby sei von ihm; er hatte den Tod vor Augen, vielleicht hätte es ihn ja getröstet – der Gedanke, dass … etwas von ihm bleiben würde.«
Roger wurde von einer Eifersucht gepackt, die ihn so abrupt überkam, dass er im ersten Moment glaubte, echte, körperliche Schmerzen zu haben.
Es war besser, wenn er nicht weiter fragte, das wusste er. Er hatte sich geschworen, den Gedanken, dass Jemmy nicht von ihm sein könnte, nie laut auszusprechen, niemals. Wenn die Ehe zwischen ihnen galt, dann war Jemmy das Kind dieser Ehe, ganz gleich, unter welchen Umständen er entstanden war. Und doch spürte er die Worte hervorsprudeln wie ätzende Säure.
»Also warst du dir sicher, dass das Kind von ihm war?«
Sie blieb stehen und sah ihn mit vor Schreck geweiteten Augen an.
»Nein. Nein, natürlich nicht! Wenn ich das wäre, hätte ich es dir gesagt!«
Das Brennen in seiner Brust ließ ein wenig nach.
»Oh. Aber ihm hast du gesagt, es wäre so – du hast ihm nicht gesagt, dass es nicht ganz sicher war?«
»Er stand kurz vor seiner Hinrichtung! Ich wollte ihm Trost spenden, nicht meine Lebensgeschichte erzählen! Er brauchte nichts von dir zu wissen, unsere Hochzeitsnacht ging ihn nichts an, und – verdammt, Roger!« Sie trat ihm vors Schienbein.
Er schwankte unter der Kraft des Trittes, doch er packte ihren Arm und hinderte sie am Weglaufen.
»Es tut mir leid!«, sagte er, bevor sie ihn noch einmal treten oder ihn beißen konnte, denn sie sah so aus, als hätte sie das vor. »Es tut mir leid. Du hast Recht, es ging ihn nichts an – und es steht mir auch nicht zu, deine Erinnerung daran wieder zu wecken.«
Sie atmete tief durch die Nase ein wie ein Drache, der im Begriff war, ihn zu Asche zu verkohlen. Das wütende Funkeln in ihren Augen ließ ein wenig nach, obwohl ihre Wangen immer noch glühten. Sie schüttelte seine Hand ab, lief aber nicht davon.
»Doch, das tut es«, sagte sie. Sie warf ihm einen finsteren, stumpfen Blick zu. »Du hast gesagt, wir dürften keine Geheimnisse voreinander haben, und damit hattest du Recht. Aber manchmal verbirgt sich hinter einem Geheimnis ein weiteres Geheimnis, nicht wahr?«
»Ja. Aber es ist nicht – ich habe nicht gemeint –«
Bevor er weiter sprechen konnte, unterbrach ihn das Geräusch von Schritten und Stimmen. Vier Männer, die sich beiläufig auf Gälisch unterhielten, traten aus dem Nebel. Sie hatten angespitzte Stöcke und Netze dabei und waren barfuß und nass bis zu den Knien. Frisch gefangene, an Schnüren aufgereihte Fische glänzten stumpf im regnerischen Tageslicht.
»
»Es ist sicher schöner, verbotene Früchte zu naschen als den Segen eines verschrumpelten Priesters abzuwarten.« Der zweite Mann schob sich sein Barett aus der Stirn und fasste sich kurz an den Schritt, um zu verdeutlichen, was genau er mit »verschrumpelt« meinte.
»Ach, nein«, sagte der Dritte und wischte sich die Tropfen von der Nase, während er Brianna betrachtete, die ihren Umhang fest um sich gezogen hatte. »Er will ihr nur ein kleines Hochzeitsständchen bringen, nicht wahr?«
»Oh, ich kenne auch die Verse«, sagte sein Begleiter und grinste so breit, dass man sehen konnte, dass ihm ein Backenzahn fehlte. »Aber ich kann sie noch viel schöner singen!«