Mit einem Kopfschütteln, bei dem ihre Diamantohrringe aufblitzten, verscheuchte sie den Gedanken. Ihr weißes Haar hob sich leuchtend von der dunkelblauen Seide ihres Kleides ab. Der Stoff war mit Libellen bestickt, die zwischen den Falten hin- und herzuschwirren schienen, wenn sie sich im Licht der Wandleuchten und der schweren Kerzenleuchter bewegte.
»Nun gut. Wo ist Ulysses?«
»Hier, Madame.« Er war so leise zurückgekehrt, dass ich ihn nicht gehört hatte, und war an ihrer anderen Seite erschienen.
»Dann komm«, sagte sie und nahm seinen Arm. Ich wusste nicht, ob die Aufforderung ihm oder mir galt, doch ich folgte gehorsam in ihrem glitzernden Kielwasser. Dabei musste ich zwei Küchenjungen ausweichen, die das Hauptgericht hereintrugen – einen am Stück gegrillten Keiler samt Kopf und Stoßzähnen, dessen fetttriefender Hinterschinken nur darauf wartete, dass man ihn anschnitt. Es roch göttlich.
Ich strich mir über das Haar und bereitete mich innerlich darauf vor, Jocastas Gästen gegenüberzutreten. Irgendwie kam ich mir so vor, als sollte auch ich auf einer silbernen Platte präsentiert werden – mit einem Apfel im Mund.
Die Gästeliste hätte sich wie ein
Einige der Männer kamen im Kilt oder hatten Plaids über ihre Röcke und Seidenkniehosen geschlungen, doch ich sah keinen, der so umwerfend aussah wie Jamie – der durch Abwesenheit auffiel. Ich hörte, wie Jocasta Ulysses etwas zuflüsterte; dieser klatschte in die Hände und rief so ein kleines Serviermädchen herbei, das er in das laternenbeschienene Halbdunkel des Gartens schickte, wahrscheinlich, um ihn zu suchen.
Fast genauso auffällig waren die wenigen Gäste, die keine Schotten waren; ein breitschultriger, sanft lächelnder Quäker, der Hermon Husband hieß; ein hochgewachsener, grobknochiger Herr namens Hunter und – zu meiner großen Überraschung – Phillip Wylie, makellos gepudert in Anzug und Perücke.
»So treffen wir uns also wieder, Mrs. Fraser«, bemerkte er, während er meine Hand viel länger in der seinen hielt, als gesellschaftlich korrekt war. »Ich gestehe, dass mich das Glück, Euch wiederzusehen, schier überwältigt!«
»Was macht Ihr denn hier?«, sagte ich ziemlich rüde.
Er grinste unverschämt.
»Mein Gastgeber hat mich mitgenommen, der edle und einflussreiche Mr. MacNeill von Barra Meadows, von dem ich just ein Paar ausgezeichnete Grauschimmel erwarb. Apropos, zehn Pferde hätten mich nicht daran hindern können, an diesem feierlichen Anlass teilzunehmen, nachdem ich erfuhr, dass die Gesellschaft zu Euren Ehren stattfindet.« Genüsslich betrachtete er mich von Kopf bis Fuß, wobei er sich so unnahbar gab wie ein Kenner, der sich an einem seltenen Kunstwerk erfreut.
»Darf ich anmerken, Ma’am, wie überaus gut Euch dieser Grünton steht?«
»Daran kann ich Euch wohl nicht hindern.«
»Ganz zu schweigen von der Wirkung des Kerzenlichtes auf Eurer Haut. ›Dein Hals ist wie ein elfenbeinerner Turm‹«, zitierte er und ließ den Daumen anzüglich über meine Handfläche gleiten, »›deine Augen sind wie die Teiche zu Hesbon.‹«
»›Deine Nase ist wie der Turm auf dem Libanon, der gen Damaskus steht‹«, sagte ich mit einem vielsagenden Blick auf seinen ausgeprägten Aristokratenrüssel.
Er brach in Gelächter aus, ließ meine Hand aber nicht los. Ich warf einen verstohlenen Blick auf Jocasta, die in der Nähe stand; sie schien in die Unterhaltung mit einem Neuankömmling vertieft zu sein, doch die Erfahrung hatte mich gelehrt, wie scharf ihre Ohren waren.
»Wie alt seid Ihr?«, fragte ich, wobei ich meine Augen zusammenkniff und versuchte, ihm meine Hand ohne ungebührliche Kraftanstrengung zu entziehen.
»Fünfundzwanzig, Ma’am«, antwortete er ziemlich überrascht. Er drückte einen Finger seiner freien Hand auf das sternförmige Schönheitspflaster neben seinem Mund. »Sehe ich denn abgehärmt aus?«
»Nein. Ich wollte nur sichergehen, dass ich die Wahrheit sage, wenn ich Euch davon in Kenntnis setze, dass ich alt genug bin, um Eure Mutter zu sein!«
Diese Nachricht schien ihn nicht im mindesten zu verstören. Vielmehr hob er meine Hand an die Lippen und presste diese inbrünstig darauf.
»Ich bin entzückt«, hauchte er. »Darf ich Euch
Ulysses stand hinter Jocasta, die dunklen Augen konzentriert auf die Gäste gerichtet, die über den erleuchteten Pfad vom Fluss heraufkamen. Ab und zu beugte er sich vor, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Ich zog meine Hand mit aller Kraft aus Wylies Griff und benutzte sie, um dem Butler auf die Schulter zu tippen.
»Ulysses«, sagte ich und lächelte Wylie charmant an, »würdest du bitte dafür sorgen, dass Mr. Wylie beim Essen neben mir sitzt?«