Es war John Quincy Myers, der Mann aus den Bergen, der die zweiflügelige Tür von oben bis unten und von einer Seite zur anderen ausfüllte, angetan mit derselben Kostümierung, in der ich ihn kennengelernt hatte. Er lehnte schwerfällig im Türrahmen und betrachtete die Versammlung mit blutunterlaufenen Augen. Sein Gesicht war gerötet, er atmete geräuschvoll, und in der einen Hand hielt er eine lange Glasflasche.
Dann erblickte er mich, und sein Gesicht verzog sich zu einer abscheulichen Grimasse der Befriedigung.
»Da ssseid Ihr ja«, sagte er im Tonfall tiefster Genugtuung. »Hapss doch gessagt, Duncan wollt nix davon hör’n. Hat gessagt, Misstresss Claire meint, ich ssoll bet-trunken ssein, bevor ssie mich aufschneidet. Jetz’ bin ich voll. Voll –« Er hielt inne, schwankte gefährlich und hob die Flasche. »Wie’n TROLL!!«, schloss er triumphierend. Er trat einen Schritt in den Raum, fiel flach auf das Gesicht und regte sich nicht mehr.
Duncan erschien im Eingang, und auch er sah ziemlich mitgenommen aus. Sein Hemd war zerrissen, sein Rock hing ihm von der Schulter, und es sah so aus, als zeigten sich bei ihm die Anfänge eines Veilchens.
Er warf einen Blick auf die Gestalt, die vor seinen Füßen lag, und sah Jamie entschuldigend an.
»Ich habe versucht, ihn aufzuhalten, Mac Dubh.«
Ich erhob mich und kam gleichzeitig mit Jamie bei Myers an, gefolgt von einer Flut neugieriger Gäste. Jamie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Tja, du hast wirklich gesagt, dass er bewusstlos sein muss«, stellte er fest. Er beugte sich über den Mann aus den Bergen und zog mit dem Daumen ein Augenlid hoch, worauf sich ein Streifen des weißen Augapfels zeigte. »Und ich würde sagen, er hat seine Sache gut gemacht.«
»Aber ich meinte doch nicht stockbesoffen!« Ich hockte mich neben den Bewusstlosen und legte vorsichtig zwei Finger an seine Halsschlagader. »Schön kräftig. Trotzdem … Alkohol ist wirklich kein gutes Betäubungsmittel«, sagte ich kopfschüttelnd. »Er ist ein Gift. Er legt das zentrale Nervensystem lahm. Wenn man seinem Rausch auch noch den Schock der Operation hinzufügt, könnte das leicht sein Ende bedeuten.«
»Kein großer Verlust«, sagte einer der Gäste, doch die anderen brachten den Spötter zischend zum Schweigen.
»Was für eine Schande, so viel Brandy zu verschwenden«, sagte jemand unter allgemeinem Gelächter. Es war Phillip Wylie; ich sah sein gepudertes Gesicht hinter Jamies Schulter. Er lächelte frech.
»Wir haben viel von Eurem Können gehört, Mistress Fraser. Jetzt ist die Gelegenheit, es unter Beweis zu stellen – vor Zeugen!« Er deutete elegant auf die Gäste, die sich um uns drängten.
»Ach, fort mit Euch«, sagte ich schroff.
»Ooh, hört, hört!«, murmelte jemand hinter mir, nicht ohne Bewunderung. Wylie blinzelte verblüfft, grinste dann aber noch breiter als zuvor.
»Euer Wunsch ist mir Befehl, Ma’am«, murmelte er und verschwand mit einer Verbeugung wieder im Publikum.
Ich erhob mich, von Zweifeln geplagt. Es konnte gutgehen. Technisch gesehen, war die Operation einfach und sollte nicht mehr als ein paar Minuten in Anspruch nehmen – falls ich nicht auf Komplikationen stieß. Nur ein kleiner Einschnitt – doch er ging durch das Bauchfell, und das Infektionsrisiko war beträchtlich.
Dennoch konnte ich wohl kaum bessere Bedingungen antreffen als hier – reichlich Alkohol zur Desinfektion und jede Menge bereitwillige Assistenten. Andere Betäubungsmittel standen nicht zur Verfügung, und ich konnte es unter keinen Umständen tun, wenn der Patient bei Bewusstsein war. Und außerdem hatte Myers mich darum gebeten.
Ich suchte Jamies Gesicht, weil ich seinen Rat wollte. Er stand da, direkt neben mir, und sah die Frage in meinen Augen. Verdammt, er hatte doch ein Ablenkungsmanöver gewollt.
»Tu’s lieber, Sassenach.« Jamie betrachtete die hingestreckte Gestalt. »Vielleicht hat er nie wieder den Mut oder das Geld, sich so zu betrinken.« Ich bückte mich und prüfte noch einmal seinen Puls – er ging kräftig und regelmäßig.
Jocastas stattlicher Kopf erschien zwischen den neugierigen Gesichtern und blickte über MacNeills Schulter.
»Bringt ihn in den Salon«, sagte sie kurz. Sie zog sich zurück, und die Entscheidung war mir abgenommen.
Ich operierte nicht zum ersten Mal unter merkwürdigen Bedingungen, dachte ich, während ich hastig meine Hände in dem Essig abspülte, den man mir aus der Küche gebracht hatte, doch so merkwürdig waren sie noch nie gewesen.
Seiner Unterbekleidung entledigt, lag Myers, geschmackvoll auf dem Mahagonitisch ausgebreitet, reglos wie ein gegrillter Fasan und fast ebenso dekorativ. Statt auf einer Platte lag er auf einer Pferdedecke, und mit seinem mit Stachelschweinborsten verzierten Hemd und seiner Bärenkrallenkette gab er einen prachtvollen Hauptgang ab, garniert mit einer Ansammlung von Flaschen, Tüchern und Verbandsmaterial.
Ich hatte keine Zeit, mich umzuziehen; aus dem Räucherhaus wurde eine lederne Metzgerschürze geholt, um mein Kleid abzudecken, und Phaedre steckte mir die langen Rüschenärmel hoch, um meine Unterarme freizulegen.