Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

Ein riesiger Lebensbaum war quer über den Bach gestürzt; seine Wurzeln waren unterspült worden, als das Wasser den Boden wegfraß, in dem er wuchs. Er war in die Richtung gefallen, die von mir wegzeigte, und auf dem Kliff aufgeschlagen, so dass die dichte Krone sich im Wasser und über den Felsen ausbreitete und der Stamm sich im spitzen Winkel über den Fluss neigte. Auf meiner Seite konnte ich den riesigen Teller der freigelegten Wurzeln sehen, die ein Bollwerk von Erdklumpen und kleinen Sträuchern mit sich gerissen hatten. Die darunterliegende Grube war zwar kein kompletter Unterschlupf, doch es sah aus, als wäre es dort besser, als im Freien zu stehen oder im Gebüsch zu hocken.

Ich hatte mir keine Sekunde lang darüber Gedanken gemacht, ob der Unterschlupf vielleicht auch Bären, Wildkatzen oder anderes unfreundliches Getier angezogen haben könnte. Glücklicherweise war das nicht der Fall.

Der Zwischenraum maß vielleicht anderthalb Meter im Quadrat; er war muffig, dunkel und klamm. Die Decke wurde von den gewaltigen, knorrigen Wurzeln des Baumes gebildet, an denen noch sandiger Boden klebte. Es sah aus wie die Decke eines Dachsbaus. Trotzdem war es eine solide Decke; der aufgewühlte Erdboden war feucht, aber nicht schlammig, und zum ersten Mal seit Stunden trommelte mir kein Regen auf den Schädel.

Erschöpft kroch ich in die hintere Ecke, stellte meine nassen Schuhe neben mich und schlief fest ein. Die Kälte meiner nassen Kleider war schuld daran, dass ich lebhaft und wirr träumte von Blut und Geburten, von Bäumen, Felsen und Regen, und ich erwachte häufig zu jenem Halbbewusstsein, das die äußerste Ermüdung mit sich bringt, und schlief Sekunden später wieder ein.

Ich träumte, dass ich ein Kind bekam. Ich hatte keine Schmerzen, doch ich sah den Kopf austreten, als stünde ich zwischen meinen eigenen Oberschenkeln, Hebamme und Gebärende zugleich. Ich nahm das nackte Kind in die Arme, immer noch mit dem Blut verschmiert, das von uns beiden stammte, und reichte es seinem Vater. Ich reichte es Frank, doch es war Jamie, der dem Baby die Glückshaube vom Kopf nahm und sagte: »Sie ist wunderschön.«

Dann erwachte ich und schlief wieder ein und bahnte mir einen Weg zwischen Felsbrocken und Wasserfällen hindurch, suchte verzweifelt etwas, das ich verloren hatte. Erwachte und schlief ein und wurde im Wald von etwas Furchtbarem, Unbekanntem verfolgt. Erwachte und schlief ein, ein Messer in meiner Hand, rot vom Blut – doch wessen Blut, das wusste ich nicht.

Ich erwachte ganz, weil es nach Feuer roch, und fuhr senkrecht hoch. Der Regen hatte aufgehört; es war die Stille, die mich geweckt hatte, so glaubte ich. Doch der starke Rauchgeruch wich nicht aus meiner Nase – er gehörte nicht zu meinem Traum.

Ich streckte den Kopf aus meiner Erdhöhle wie eine Schnecke, die vorsichtig aus ihrem Haus kriecht. Der Himmel war in einem blassen Lilagrau gefärbt und über den Bergen mit orangen Streifen durchzogen. Der Wald um mich herum war still, und überall tropfte es. Es war kurz vor Sonnenuntergang, und die Dunkelheit sammelte sich schon in den tieferen Lagen.

Ich kroch ganz nach draußen und sah mich um. Hinter mir rauschte der angeschwollene Bach vorbei; sein Gurgeln war das einzige Geräusch. Vor mir stieg der Boden zu einem flachen Kamm hin an, auf dessen Grat eine hohe Balsampappel stand, die Quelle des Rauches. Der Baum war vom Blitz getroffen worden; eine Hälfte trug immer noch grünes Laub und zeichnete sich buschig vor dem blassen Himmel ab. Die andere Hälfte war entlang des gesamten massiven Stammes geschwärzt und verkohlt. Weiße Rauchwölkchen stiegen von ihm auf wie Geister auf der Flucht vor den Fesseln ihres Meisters, und rote Flammen, die unter der geschwärzten Hülle glommen, zeigten sich flüchtig.

Ich sah mich nach meinen Schuhen um, konnte sie in der Dunkelheit aber nicht finden. Ich störte mich nicht daran, sondern wanderte, vor Anstrengung keuchend, den Kamm hinauf zu dem getroffenen Baum. All meine Muskeln waren steif vom Schlaf und von der Kälte – ich fühlte mich selbst wie ein Baum, der umständlich zum Leben erwacht und auf knorrigen, schwerfälligen Wurzeln hügelaufwärts stapft.

Neben dem Baum war es warm. Traumhaft, wunderbar warm. Es roch nach Asche und verbranntem Ruß, doch es war warm. Ich ging so nah heran, wie ich mich traute, breitete meinen Umhang weit aus und stand still und dampfend da.

Eine Zeitlang versuchte ich nicht einmal nachzudenken, stand einfach nur da, spürte, wie mein ausgekühlter Körper auftaute und sich langsam wieder menschenähnlich anfühlte. Doch als mein Blut wieder zu fließen begann, fingen auch meine Verletzungen an zu schmerzen. Außerdem verspürte ich quälenden Hunger: Das Frühstück war schon lange her.

Es sah fast so aus, als würde es bis zum Abendessen noch viel länger dauern, dachte ich grimmig. Die Dunkelheit kroch aus dem Talboden herauf, und ich wusste immer noch nicht, wo ich war. Ich warf einen Blick auf den gegenüberliegenden Hügelkamm; kein Zeichen von dem verflixten Pferd.

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