Erschöpft verfolgten wir unsere Spur zurück. Keine vierhundert Meter von dem Erdrutsch entfernt fand ich eine Stelle, wo der Abhang in einen kleinen Sattel überging, eine Mulde zwischen zwei »Hörnern« aus Granit. Solche Formationen gab es hier häufig; eine besonders große auf einem Berg in der Nähe, die ihm den Namen Teufelsspitze eingebracht hatte. Wenn ich den Sattel überqueren, auf die andere Seite des Hügels gelangen und dann an diesem entlang weiterreiten konnte, würde ich irgendwann wieder auf den Pfad stoßen, wenn er den Kamm in Richtung Süden kreuzte.
Von dem Sattel aus hatte ich einen kurzen, klaren Blick auf das Vorgebirge und das blaue Tal dahinter. Doch die Berggipfel auf der anderen Seite waren hinter schwarzen Regenwolken verborgen, die gelegentlich vom Flackern versteckter Blitze erleuchtet wurden.
Jetzt, wo der Höhepunkt des Sturms anscheinend vorüber war, hatte der Wind nachgelassen. Es regnete noch stärker, und ich blieb so lange stehen, wie nötig war, um meine kalten Finger von den Zügeln loszueisen und mir die Kapuze meines Umhangs aufzusetzen.
Auf dieser Seite des Hügels kamen wir gut voran, denn der Boden war felsig, aber nicht allzu steil. Wir bahnten uns unseren Weg durch kleine Haine mit rotbeerigen Bergebereschen und größere Ansammlungen von Eichen. Ich merkte mir den Standort eines riesigen Brombeerdickichts, auf das ich später zurückkommen wollte, blieb aber nicht stehen. Ich konnte mich so schon glücklich schätzen, wenn ich noch im Hellen nach Hause kam.
Um mich von den kalten Rinnsalen abzulenken, die mir den Hals herabliefen, führte ich in Gedanken eine Inventur der Vorratskammer durch. Was konnte ich zum Abendessen machen, wenn ich erst einmal angekommen war?
Etwas Schnelles, dachte ich zitternd, und etwas Heißes. Eintopf würde zu lange dauern; Suppe ebenfalls. Wenn es Eichhörnchen oder Kaninchen gab, könnten wir es durch einen Teig aus Eiern und Maismehl ziehen und frittieren. Wenn nicht, dann vielleicht Erbsenpüree mit etwas Speck für den Geschmack und ein paar Rühreier mit jungen Zwiebeln.
Ich duckte mich und zuckte zusammen. Trotz der Kapuze und meines dichten Haares trommelten mir die Regentropfen auf den Kopf wie Hagelkörner.
Dann erkannte ich, dass es Hagelkörner
Das Pferd warf den Kopf herum und schüttelte heftig die Mähne, um den stechenden Körnern auszuweichen. Hastig zog ich die Zügel an und lenkte es unter die Krone einer riesigen Kastanie, die uns ansatzweise Unterschlupf bot. Dort war es zwar laut, doch der Hagel prallte am dichten Laub ab, so dass wir geschützt waren.
»Gut«, sagte ich. Mit einigen Schwierigkeiten löste ich eine Hand von den Zügeln und tätschelte das Pferd beschwichtigend. »Ganz ruhig. Uns passiert schon nichts, solange hier nicht der Blitz einschlägt.«
Offensichtlich hatte diese Bemerkung jemanden auf eine Idee gebracht; lautlos durchzuckte ein greller Blitz den schwarzen Himmel hinter einem Berg namens Roan. Einige Augenblicke später dröhnte ein heftiger Donnerschlag durch das Tal, der auch das Prasseln des Hagels im Laub über unseren Köpfen übertönte.
In der Ferne sah ich über den Bergen Wetterleuchten. Dann flammten noch mehr Blitze über den Himmel, und das darauffolgende Donnergrollen wurde jedes Mal lauter. Der Hagelschauer ging vorbei, und der Regen begann wieder niederzurauschen, stärker als zuvor. Unter mir verschwand das Tal in Wolken und Nebel, doch im Licht der Blitze traten die schroffen Bergkämme hervor wie Knochen auf einem Röntgenschirm.
»Einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierund–« BUMM! Das Pferd riss den Kopf zurück und stampfte nervös.
»Ich weiß genau, wie dir zumute ist«, sagte ich zu ihm und blickte in das Tal hinab. »Ruhig, ganz ruhig.« Der nächste Blitz zuckte über den Himmel. Er erleuchtete den dunklen Grat so, dass ich das Abbild der aufgestellten Pferdeohren auch in der folgenden Dunkelheit deutlich vor Augen hatte.
»Einundzwanzig, zweiund–« Ich hätte schwören können, dass der Boden bebte. Das Pferd tat einen schrillen Schrei und stieg in die Höhe, während ich an den Zügeln riss. Seine Hufe wirbelten das Laub auf. Die Luft roch nach Ozon.
Blitz.
»Ein–«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Verdammt, steh! Einund–«
Blitz.
»Ein–«
Blitz.
»Steh. STEH!«
Ich merkte nichts von meinem Sturz und auch nicht von der Landung. In einer Sekunde zerrte ich noch wild an den Zügeln, unter mir ein tausend Pfund schweres Pferd, das panisch in alle Richtungen ausschlug. In der nächsten lag ich auf dem Rücken, über mir den schwarzen Himmel, der sich drehte, und versuchte, mein Zwerchfell zum Funktionieren zu bewegen.