Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

Ein Brief würde nicht reichen. Er würde langsam vorgehen müssen, mit ständigen Andeutungen und sanfter Ermutigung. Er glaubte nicht, dass es schwierig sein würde; ein Jahr der Suche in Schottland hatte fast nichts zutage gebracht außer dem Bericht von dem Brand in Frasers Druckerei in Edinburgh – er erschauerte unwillkürlich bei dem Gedanken an Flammen. Jetzt wusste er auch, warum: Sie mussten kurz danach emigriert sein, obwohl er keine Spur von ihnen in den Passagierlisten gefunden hatte, die er überprüft hatte.

Zeit aufzugeben, würde er ihr suggerieren. Die Vergangenheit ruhen und die Toten in Frieden zu lassen. Es würde an Besessenheit grenzen, wenn sie weitersuchten, obwohl es so gut wie keine Anhaltspunkte gab. Er würde ihr ganz subtil einreden, dass es ungesund war, dieses ständige Zurückblicken – jetzt war es an der Zeit, nach vorn zu blicken, damit sie ihr Leben nicht mit einer zwecklosen Suche vergeudete. Das hätten ihre Eltern nicht gewollt.

Im Raum war es kühl, doch er bemerkte es kaum.

Ich pass auf dich auf, hatte er gesagt, und er hatte es ernst gemeint. War es eine Lüge, wenn man eine gefährliche Wahrheit geheim hielt? Nun, wenn ja, würde er eben lügen. Seine Zustimmung zu einer falschen Handlung zu geben, war Sünde, so hatte man es ihn seit frühester Kindheit gelehrt. Das war schon in Ordnung, für sie würde er seine Seele aufs Spiel setzen, und zwar bereitwillig.

Er kramte in der Schublade nach einem Stift. Dann hielt er inne, bückte sich und griff mit zwei Fingern in die Tasche seiner klatschnassen Jeans. Das Papier war fransig und aufgeweicht und löste sich schon auf. Mit ruhigen Fingern riss er es in kleine Stücke, ohne den kalten Schweiß zu beachten, der ihm in Rinnsalen über das Gesicht lief.




Kapitel 23

Der Schädel unter der Haut

Ich hatte Jamie gesagt, dass es mir nichts ausmache, fernab der Zivilisation zu leben; überall, wo Menschen lebten, würde es auch Arbeit für eine Heilerin geben. Duncan hatte sein Versprechen gehalten und war im Frühjahr 1768 mit acht der früheren Gefangenen aus Ardsmuir und ihren Familien zurückgekehrt, die sich auf Fraser’s Ridge, wie man den Ort jetzt allgemein nannte, niederlassen wollten. Bei fast dreißig Seelen waren meine leicht eingerosteten Künste sofort gefragt; es galt, Wunden zuzunähen und Fieber zu behandeln, Abszesse zu öffnen und Zahnfleischentzündungen zu säubern. Zwei der Frauen waren schwanger, und es war mir eine Freude, sie von zwei gesunden Kindern zu entbinden, einem Jungen und einem Mädchen, die beide zu Beginn des Frühjahrs geboren wurden.

Mein Ruf – wenn das das richtige Wort ist – als Heilerin verbreitete sich schnell auch über unsere winzige Siedlung hinaus, und ich wurde immer weiter weg gerufen, um Leute zu behandeln, die in einem Umkreis von dreißig Meilen auf einsamen Höfen in wildem Bergland lebten. Außerdem unternahm ich manchmal mit Ian Stippvisiten nach Anna Ooka, um Nayawenne zu besuchen, und jedes Mal kehrte ich mit Körben und Krügen voll nützlicher Kräuter zurück.

Anfangs hatte Jamie darauf bestanden, dass er oder Ian mich zu den weiter entfernten Orten begleiteten, doch es stellte sich bald heraus, dass keiner von ihnen entbehrlich war; es war Zeit für die erste Aussaat, der Boden musste vorbereitet und mit der Egge bearbeitet werden, und Mais und Gerste mussten gesät werden, ganz zu schweigen von den regelmäßigen Aufgaben, die auf einem kleinen Hof anfielen. Zusätzlich zu den Pferden und Maultieren hatten wir eine kleine Hühnerschar erworben, einen lasterhaft aussehenden schwarzen Eber, der den gesellschaftlichen Bedürfnissen unseres Schweins gerecht werden sollte, und – als größten Luxus – eine Milchziege, und sie alle mussten gefüttert, getränkt und ganz allgemein daran gehindert werden, sich gegenseitig umzubringen oder von Bären oder Panthern gefressen zu werden.

Also ging ich immer öfter allein los, wenn ein Fremder unvermittelt in der Eingangstür erschien und nach einer Heilerin oder Hebamme fragte. Daniel Rawlings’ Krankenbuch erhielt neue Einträge, und unsere Vorratskammer wurde um Schinken, Hirschkeulen, Getreidesäcke oder Berge von Äpfeln bereichert, mit denen mich meine Patienten für meine Zuwendung bezahlten. Ich verlangte nie eine Bezahlung, doch irgend etwas wurde mir immer angeboten – und arm, wie wir waren, war uns alles willkommen.

Meine Patienten im Hinterland kamen von überall her, und viele sprachen weder Englisch noch Französisch: Da gab es deutsche Lutheraner, Quäker, Schotten, Iren und die Mitglieder einer großen Siedlung der Herrnhuter Brüdergemeinde in Salem, die eine merkwürdige Sprache sprachen, die ich für Tschechisch hielt. Normalerweise kam ich jedoch zurecht; in den meisten Fällen konnte jemand für mich dolmetschen, und schlimmstenfalls konnte ich mich auf die Sprache von Händen und Körper verlassen – »Wo tut es weh?« kann man in jeder Sprache leicht verstehen.


August 1768

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