Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

Er hatte Briannas Hand festgehalten. Ein Reflex schloss seinen Griff, als schon alle Sinne von ihm wichen. Es war, als würde man aus einer Höhe von aberhundert Metern in eisiges Wasser gestürzt; furchtbares Schwindelgefühl und ein Schrecken, der so intensiv war, dass er nur noch den Schrecken selbst fühlte. Blind und taub, seiner Sinne und seines Verstandes beraubt, war er sich zweier letzter Gedanken bewusst gewesen, Überbleibsel seines Bewusstseins, das verlosch wie Kerzenlicht in einem Hurrikan. Ich sterbe, hatte er gedacht und dabei große Ruhe verspürt. Und dann: Nicht loslassen.

Die aufgehende Sonne war wie ein lichter Pfad durch den gespaltenen Stein gefallen; Claire war ihn gegangen. Als Roger sich schließlich regte und den Kopf hob, glühte die späte Nachmittagssonne golden und lavendelfarben hinter dem hohen Stein und ließ ihn gegen den Himmel schwarz erscheinen.

Er lag auf Brianna und beschützte sie mit seinem Körper. Sie war bewusstlos, atmete aber, und ihr Gesicht war entsetzlich blass im Kontrast zu ihrem roten Haar. Schwach, wie er war, war es ihm völlig unmöglich gewesen, sie den steilen Hügel hinunter zum Auto zu tragen; sie war die Tochter ihres Vaters, fast eins achtzig groß, nur ein paar Zentimeter kleiner als Roger selbst.

Er hatte über ihr gekauert, ihren Kopf in seinem Schoß gehalten und zitternd ihr Gesicht gestreichelt bis kurz vor Sonnenuntergang. Dann hatte sie die Augen geöffnet, so dunkel und blau wie der Abendhimmel, und geflüstert: »Sie ist fort?«

»Ist schon gut«, hatte Roger zurückgeflüstert. Er beugte sich über sie und küsste ihre kalte Stirn. »Ist schon gut; ich pass auf dich auf.«

Er hatte es ernst gemeint. Doch jetzt?

Es wurde schon dunkel, als er zu seinen Räumen zurückkehrte. Im Vorbeigehen hörte er Klappern aus dem Speisesaal, und er roch Speck und gebackene Bohnen, doch Abendessen war das Letzte, wonach ihm jetzt der Sinn stand.

Er schlich sich zu seinen Räumen hinauf und ließ seine feuchten Sachen in einem Haufen auf den Boden fallen. Er trocknete sich ab und setzte sich dann nackt auf sein Bett, das Handtuch vergessen in der Hand, und starrte auf den Schreibtisch und das Holzkistchen mit Briannas Briefen.

Er würde alles tun, um sie vor Schmerzen zu bewahren. Er würde noch viel mehr tun, um sie vor der Bedrohung durch die Steine zu bewahren.

Claire war – so hoffte er – von 1968 nach 1766 zurückgereist. Und war dann 1776 gestorben. Jetzt war 1970. Wenn man jetzt zurückging, würde man – vielleicht – 1768 ankommen. Zeit genug. Das war das Schlimmste daran, Zeit genug.

Selbst wenn Brianna genau wie er glaubte – oder er sie davon überzeugen konnte –, dass man die Vergangenheit nicht ändern konnte, würde sie die nächsten sieben Jahre in dem Bewusstsein leben können, dass das Fenster der Gelegenheit sich schloss, dass ihre einzige Chance, jemals ihrem Vater zu begegnen, jemals ihre Mutter wiederzusehen, Tag für Tag schrumpfte? Es war eine Sache, sie sich selbst zu überlassen, wenn man nicht wusste, wo sie waren oder wie es ihnen ergangen war; es war eine andere, es genau zu wissen und nichts zu tun.

Er kannte Brianna seit über zwei Jahren, hatte aber nur ein paar Monate davon mit ihr zusammen verbracht. Und dennoch kannten sie einander in mancher Hinsicht sehr gut. Wie hätte es auch anders sein sollen, nachdem sie eine solche Erfahrung gemeinsam durchgestanden hatten? Dann waren da die Briefe gewesen – Dutzende, zwei, drei oder vier in der Woche – und die seltenen, kurzen Urlaube, die er zwischen Zauber und Frustration verbrachte und an deren Ende er jedes Mal solches Bedürfnis nach ihrer Nähe hatte, dass es schmerzte.

Ja, er kannte sie. Sie war ein stilles Wasser, aber von einer wilden Entschlossenheit besessen, die sich dem Schmerz wohl kaum kampflos ergeben würde. Und sie war zwar zurückhaltend, doch wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann handelte sie mit haarsträubender Eile. Wenn sie beschloss, den Sprung zu riskieren, konnte er sie nicht aufhalten.

Seine Hände schlossen sich fest um das zusammengeballte Handtuch, und sein Magen verkrampfte sich, als er an den Abgrund im Steinkreis dachte und an die Leere, die sie beide fast verschlungen hätte. Das Einzige, was noch erschreckender war, war der Gedanke, Brianna zu verlieren, bevor er sie wirklich gehabt hatte.

Er hatte sie noch nie angelogen. Doch die Nachwirkungen von Schrecken und Trauer wichen langsam, als in ihm die Anfänge eines Plans aufkeimten. Er stand auf und wickelte sich das Handtuch um die Taille.

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