Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

Wir hatten ihnen Essen und Trinken angeboten – einige der Jäger waren Ians Freunde –, doch im Verlauf der Mahlzeit war mir aufgefallen, dass dieser Mann mit glasigen Augen in seine Tasse stierte. Bei näherer Betrachtung hatte sich herausgestellt, dass er an etwas litt, was meiner Überzeugung nach die Masern waren, in dieser Zeit eine besorgniserregende Krankheit.

Er hatte darauf bestanden, gemeinsam mit seinen Begleitern aufzubrechen, doch ein paar Stunden später hatten zwei von ihnen ihn stolpernd und delirierend zurückgebracht.

Er war eindeutig – und alarmierenderweise – ansteckend. Ich hatte ihm ein bequemes Bett in unserem neugebauten und zurzeit noch leeren Maisspeicher gemacht und seine Begleiter gezwungen, sich im Bach zu waschen, eine Prozedur, die sie offensichtlich unsinnig fanden, der sie sich jedoch mir zuliebe fügten, bevor sie aufbrachen und ihren Kameraden in meiner Obhut zurückließen.

Der Indianer lag auf der Seite, unter seiner Decke zusammengerollt. Er drehte sich nicht um, um mich anzusehen, obwohl er meine Schritte auf dem Weg gehört haben musste. Ich konnte ihn jedenfalls hören; kein Bedarf für mein improvisiertes Stethoskop – das Rasseln in seiner Lunge war aus sechs Schritten Entfernung deutlich zu hören.

»Comment ça va?«, fragte ich und kniete mich neben ihn. Er antwortete nicht; doch es war sowieso überflüssig. Ich brauchte nur das rasselnde Keuchen zu hören, um eine Lungenentzündung zu diagnostizieren, und sein Aussehen bestätigte dies nur – seine Augen waren eingesunken und glanzlos, die Gesichtsmuskeln eingefallen, bis auf die Knochen von heftig flammendem Fieber verzehrt.

Ich versuchte, ihn zum Essen zu bewegen – er brauchte unbedingt Nahrung –, doch er machte sich nicht einmal die Mühe, sein Gesicht abzuwenden. Die Wasserflasche neben ihm war leer; ich hatte ihm mehr mitgebracht, gab es ihm aber nicht sofort, weil ich hoffte, er würde vielleicht aus Durst die Infusion trinken.

Er nahm ein paar Schlucke, hörte dann aber auf zu schlucken und ließ sich die grünlich schwarze Flüssigkeit nur noch aus den Mundwinkeln laufen. Ich versuchte, ihm auf Französisch zuzureden, doch es nützte nichts; er zeigte mir nicht einmal, dass er meine Anwesenheit wahrnahm, sondern starrte nur über meine Schulter hinweg in den Morgenhimmel.

Sein abgemagerter Körper fiel vor Verzweiflung zusammen; es war deutlich, dass er sich im Stich gelassen fühlte, zum Sterben in den Händen von Fremden zurückgelassen. Ich verspürte eine nagende Angst, dass er recht haben könnte – er würde mit Sicherheit sterben, wenn er nichts zu sich nahm.

Immerhin nahm er Wasser. Er trank durstig, leerte die Flasche, und ich ging zum Bach, um sie noch einmal zu füllen. Als ich zurückkehrte, holte ich das Amulett aus meinem Korb und hielt es ihm vor das Gesicht. Ich glaubte, Überraschung hinter seinen halb geschlossenen Lidern aufflackern zu sehen – nichts, was so stark war, dass ich es Hoffnung nennen würde, doch er nahm immerhin zum ersten Mal bewusst von mir Notiz.

Einer Eingebung folgend, sank ich langsam auf meine Knie. Ich hatte keine Ahnung, welche Zeremonie in einem solchen Fall zur Anwendung kam, doch ich war schon lange genug Ärztin, um zu wissen, dass die Kraft der Suggestion zwar kein Antibiotikum ersetzen konnte, dass sie aber mit Sicherheit besser war als gar nichts.

Ich hielt das Amulett aus Rabenfedern hoch, wandte mein Gesicht zum Himmel und intonierte feierlich den sonorsten Text, der mir einfiel – zufällig war es ein von Dr. Rawlings in Latein verfasstes Rezept zur Behandlung von Syphilis.

Ich goss mir etwas Lavendelöl in die Hand, tauchte die Feder hinein und salbte ihm Hals und Schläfen, während ich mit tiefer, geheimnisvoller Stimme »Rolling Home« sang. Vielleicht half es ja gegen die Kopfschmerzen. Seine Augen folgten den Bewegungen der Feder; ich kam mir vor wie eine Klapperschlange, die zur Spirale gewunden ein Eichhörnchen beschwört und darauf wartet, dass es ihr in den Schlund rennt.

Ich hob seine Hand auf, legte ihm das ölbetropfte Amulett auf die Handfläche und schloss seine Finger darum. Dann nahm ich das mit Menthol versetzte Bärenfett und malte ihm mystische Muster auf die Brust, wobei ich darauf achtete, es mit den Daumenballen fest einzureiben. Der Geruch reinigte mir die Stirnhöhlen; ich konnte nur hoffen, dass er die zähe Verschleimung meines Patienten löste.

Ich beendete mein Ritual, indem ich die Flasche mit der Infusion feierlich mit den Worten »In nomine Patri, et Filii, et Spiritu Sancti, Amen« segnete und sie dem Patienten an die Lippen hielt. Mit leicht hypnotisiertem Gesichtsausdruck öffnete er den Mund und trank gehorsam den Rest.

Ich zog ihm die Decke über die Schultern, stellte das mitgebrachte Essen neben ihn und ließ ihn allein. Ich hatte neue Hoffnung geschöpft und kam mir gleichzeitig vor wie eine Hochstaplerin.

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