Ich hörte Ian husten und erhob mich, um nach ihm zu sehen, doch er hatte sich nur im Schlaf umgedreht; er lag auf dem Bauch, und einer seiner langen Arme baumelte aus dem Rollbett. Ich ergriff seine Hand – sie war immer noch heiß, doch es bestand keine Gefahr – und legte sie neben seinem Gesicht auf das Kissen. Das Haar war ihm in die Augen gefallen; ich strich es behutsam zurück.
»Ihr könnt sehr gut mit ihm umgehen; habt Ihr selbst Kinder?«
Erschrocken sah ich auf. Lord John beobachtete mich, das Kinn auf seine Faust gestützt.
»Ich – wir – haben eine Tochter«, sagte ich.
Er riss die Augen auf.
»Wir?«, fragte er scharf. »Das Mädchen ist Jamies Tochter?«
»Nennt sie nicht ›das Mädchen‹«, sagte ich, unsinnigerweise aufgebracht. »Ihr Name ist Brianna, und ja, sie ist Jamies Tochter.«
»Entschuldigung«, sagte er sehr steif.
»Ich wollte Euch nicht beleidigen«, fügte er einen Augenblick später in sanfterem Tonfall hinzu. »Ich war überrascht.«
Ich sah ihn direkt an. Ich war zu müde, um den Takt zu wahren.
»Und vielleicht ein bisschen eifersüchtig?«
Er hatte das Gesicht eines Diplomaten; hinter dieser Fassade gutaussehender Liebenswürdigkeit konnte alles Mögliche vor sich gehen. Doch ich starrte ihn weiter an, und er ließ die Maske fallen – ein Blitz der Erkenntnis erleuchtete die hellblauen Augen, versetzt mit widerwilligem Humor.
»Ach so. Noch etwas, das wir gemeinsam haben.« Seine Scharfsinnigkeit erschreckte mich, obwohl ich es hätte kommen sehen sollen. Es ist immer etwas verwirrend, wenn man feststellt, dass man Gefühle, die man sicher verborgen glaubte, in Wirklichkeit auf dem Präsentierteller vor sich herträgt.
»Jetzt erzählt mir nicht, dass Ihr Euch darüber keine Gedanken gemacht habt, als Ihr Euch entschlossen habt hierherzukommen.« Meine Teetasse war leer; ich stellte sie beiseite und griff wieder nach meinem Wollstrang.
Er studierte mich einen Moment lang mit zusammengekniffenen Augen.
»Doch, ich habe mir darüber Gedanken gemacht«, sagte er schließlich. Er ließ seinen Kopf auf das Kissen fallen, und sein Blick fixierte die niedrige Balkendecke. »Aber wenn ich so menschlich – oder so engstirnig – war, es in Kauf zu nehmen, Euch vor den Kopf zu stoßen, indem ich William herbrachte, so bitte ich Euch auch, mir zu glauben, dass ein solcher Affront nicht der Grund meines Kommens war.«
Ich legte das fertige Wollknäuel in den Korb und nahm mir einen anderen Strang, den ich über der Lehne eines Korbstuhls ausbreitete.
»Ich glaube Euch«, sagte ich, den Blick fest auf den Strang gerichtet. »Wenn auch nur deshalb, weil der Aufwand mir ziemlich groß erscheint. Aber was
Ich spürte an seiner Bewegung, dass er mit den Achseln zuckte; die Laken raschelten.
»Er liegt doch auf der Hand – damit Jamie den Jungen sehen konnte.«
»Und ein anderer liegt auch auf der Hand – damit Ihr Jamie sehen konntet.«
Die Stille im Bett war geladen. Ich hielt meinen Blick auf das Garn gerichtet und drehte das Knäuel, während ich den Strang abwickelte, auf und ab, vor und zurück, ein kompliziertes Gewirr, das am Ende eine perfekte Kugel ergeben würde.
»Ihr seid eine bemerkenswerte Frau«, sagte er schließlich sehr ruhig.
»Ach ja?«, sagte ich, ohne aufzublicken. »Inwiefern?«
Er lehnte sich zurück; ich hörte wieder sein Bettzeug rascheln.
»Ihr nehmt weder Rücksicht, noch macht Ihr irgendwelche Umschweife. Ich glaube wirklich nicht, dass ich jemals einem Menschen begegnet bin, dessen Direktheit vernichtender war – Mann oder Frau.«
»Das habe ich mir aber nicht ausgesucht«, sagte ich. Ich erreichte das Ende des Fadens und steckte ihn ordentlich in das Knäuel. »Ich bin so geboren.«
»Ich auch«, sagte er ganz leise.
Ich gab keine Antwort; ich hatte nicht das Gefühl, dass er beabsichtigt hatte, dass ich es hörte.
Ich stand auf und ging zum Schrank. Ich nahm drei Gläser heraus: Katzenminze, Baldrian und wilden Ingwer. Ich holte den Marmormörser herunter und kippte die getrockneten Blätter und Wurzelstückchen hinein. Ein Wassertropfen fiel vom Kessel herab und verdampfte zischend.
»Was macht Ihr da?«, fragte Lord John.
»Einen Aufguss für Ian«, sagte ich und wies mit einem Nicken auf das Rollbett. »Den gleichen, den ich Euch vor vier Tagen gegeben habe.«
»Ah. Wir haben auf dem Weg von Wilmington von Euch gehört«, sagte Grey. Seine Stimme war jetzt beiläufig, er machte Konversation. »Es scheint, als wären Eure Fähigkeiten in der Gegend gut bekannt.«
»Mm.« Ich stampfte und mahlte, und der starke, würzige Geruch des wilden Ingwers erfüllte das Zimmer.
»Man sagt, Ihr seid eine Beschwörerin. Wisst Ihr, was das ist?«
»Alles Mögliche, von einer Hebamme oder Ärztin bis hin zu einer Zauberin oder Hellseherin«, sagte ich. »Je nachdem, wer es sagt.«
Er machte ein Geräusch, das wie Gelächter klang, und schwieg dann eine Zeitlang.
»Ihr glaubt also, dass ihnen nichts passiert.« Es war eine Aussage, aber eigentlich stellte er eine Frage.