»Hab noch keinen gesehen.« Roger ließ die Kelle sinken und fasste sie am Schürzenband, um sie von der Reling wegzuziehen. »Vorsicht, aye? Um
»Da!«, kreischte sie und beugte sich trotz seines Griffes weiter über die Reling. »Da, es ist einer, es
Von dem Schrecken in ihrer Stimme wie auch durch ihre eigentlichen Worte getrieben, beugte sich Roger unwillkürlich über die Reling. Ein dunkler Schatten hing knapp unter der Wasseroberfläche, glatt und schwarz, elegant wie ein Geschoss – und halb so lang wie das Schiff. Einige Augenblicke lang hielt er mit dem dahinrasenden Schiff mit, dann überholte es ihn, und er fiel zurück.
»Hai«, sagte Roger, unerwartet erschüttert. Er schüttelte das Mädchen leicht, um ihr Dampfpfeifengekreische zu beenden. »Es ist nur ein Hai, hörst du? Du weißt doch, was ein Hai ist, oder? Wir haben erst letzte Woche einen gegessen!«
Sie hatte aufgehört zu schreien, doch ihr Gesicht war immer noch kreidebleich, ihre Augen weit aufgerissen, und ihr schmaler Mund zuckte.
»Seid Ihr sicher?«, sagte sie. »Es – es war kein Cirein Croin?«
»Nein«, sagte Roger sanft und gab ihr eine Kelle Wasser, die sie ganz allein trinken durfte. »Nur ein Hai.« Der größte Hai, den er je gesehen hatte, und er strahlte eine blindwütige Heftigkeit aus, bei deren Anblick sich die Haare auf seinen Unterarmen sträubten – aber dennoch nur ein Hai. Sie umlagerten das Schiff, wann immer seine Geschwindigkeit nachließ, und gierten nach den Abfällen und Essensresten, die über Bord geworfen wurden.
»Isobeáil!« Ein ungeduldiger Ruf orderte seine Gefährtin zurück, um der Familie bei ihren Arbeiten zu helfen. Zögernden Schrittes und mit vorgeschobener Lippe schlich Isobeáil davon, um ihre Mutter bei den Wassereimern zu unterstützen, und Roger konnte seine Aufgabe ohne weitere Ablenkung beenden.
Zumindest keine weitere Ablenkung als seine Gedanken. Es gelang ihm zumeist zu vergessen, dass die
Hatte die
Plötzlich verstand er hautnah, was der Autor dieser Zeile aus einem Kirchenlied gemeint hatte.
Als er fertig war, ließ er die Kelle in das Fass fallen und ergriff ein Brett, um es damit zuzudecken; sonst bestand die Gefahr, dass eine Ratte hineinfiel und ertrank. Eine der Frauen ergriff ihn beim Arm, als er sich umdrehte. Sie deutete auf den kleinen Jungen, den sie auf dem Arm hatte und der sich an ihren Hals drückte.
»Mr. MacKenzie, ob der Kapitän uns mit seinem Ring abreibt? Unser Gibbie hat wunde Augen, weil er so lange im Dunkeln war.«
Roger zögerte, kam sich dann aber selbst lächerlich vor. Genau wie der Rest der Besatzung versuchte er, Bonnet aus dem Weg zu gehen, doch es gab keinen Grund, der Frau ihre Bitte zu versagen; der Kapitän hatte seinen Goldring, der ein begehrtes Heilmittel bei Augenschmerzen und Entzündungen war, schon öfter dafür hergegeben.
»Na klar«, sagte er und vergaß sich selbst für einen Augenblick. »Kommt nur.« Die Frau blinzelte überrascht, folgte ihm aber gehorsam. Der Kapitän war auf seinem Achterdeck in eine Unterhaltung mit dem Maat vertieft; Roger signalisierte der Frau, einen Augenblick zu warten, und sie nickte und zog sich bescheiden hinter ihn zurück.
Der Kapitän sah genauso müde aus wie sie alle, und die Übernächtigung grub ihm die Falten tiefer ins Gesicht. Luzifer, nachdem er eine Woche lang die Hölle regiert und festgestellt hatte, dass es kein Zuckerschlecken war, dachte Roger mit säuerlicher Belustigung.
»… beschädigte Teekisten?«, sagte Bonnet gerade an den Maat gerichtet.
»Nur zwei, und sie sind nicht durch und durch nass«, erwiderte Dixon. »Wir können einen Teil retten und ihn vielleicht flussaufwärts in Cross Creek loswerden.«
»Aye, in Edenton oder New Bern nehmen sie’s genauer. Da bekommen wir aber auch die besten Preise; wir verkaufen, was wir können, bevor wir nach Wilmington weiterfahren.«