Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

Sie hätten das Eisen innerlich nötiger gehabt, dachte Roger, wenn er den Ausschlag auf den teigigen, weißen Gesichtern sah und ihren schrillen Klagen über juckende Eiterbeulen, wackelnde Zähne und Fieber zuhörte. Er nahm seine Arbeit wieder auf und teilte schöpflöffelweise Wasser in die Eimer und Schüsseln aus, die ihm die Emigranten hinhielten. Sie lebten von Hafermehl, alle miteinander – und ab und zu von ein paar getrockneten Erbsen und etwas Schiffszwieback. Das stellte die ganze »Verpflegung« dar, die man ihnen für die Überfahrt zur Verfügung stellte.

Und doch hatte er noch keine Beschwerden gehört; das Wasser war sauber, der Zwieback nicht verschimmelt, und wenn die Körnerration auch nicht großzügig war, so war sie doch auch nicht knauserig bemessen. Die Besatzung wurde besser verpflegt, aber auch nur mit Fleisch und Stärke, und gelegentlich gab es zur Abwechslung eine Zwiebel. Er fuhr sich versuchsweise mit der Zunge über seine Zähne, wie er es alle paar Tage tat. Er hatte jetzt fast immer einen schwachen Eisengeschmack im Mund; sein Zahnfleisch begann zu bluten, weil es ihm an frischem Gemüse mangelte.

Doch seine Zähne waren fest verwurzelt, und es gab keine Anzeichen für geschwollene Knöchel oder blaue Flecken unter den Nägeln, wie sie einige der anderen Besatzungsmitglieder an den Tag legten. Er hatte es während seiner wochenlangen Wartezeit nachgeschlagen; ein normaler Erwachsener sollte bei guter Gesundheit in der Lage sein, drei bis sechs Monate andauernden Vitaminmangel zu ertragen, bevor er ernsthafte Symptome zeigte. Wenn das gute Wetter anhielt, würden sie in nur zweien drüben sein.

»Morgen wird das Wetter gut, aye?« Die Tatsache, dass da offensichtlich jemand seine Gedanken las, holte ihn zurück. Er blickte herab und sah, dass es die hübsche, braunhaarige Frau war, die er auf dem Kai in Inverness bewundert hatte. Morag nannten ihre Freunde sie.

»Ich hoffe es«, sagte er und lächelte zurück, als er ihren Eimer ergriff. »Warum?«

Sie nickte und wies mit ihrem kleinen, spitzen Kinn über seine Schulter hinweg. »Der neue Mond liegt in den Armen des alten; wenn das an Land schönes Wetter bedeutet, dann ist es doch auf See bestimmt auch so, oder?«

Er blickte sich um und sah die bleiche, klare Rundung des Silbermondes, der einen glühenden Kreis umfasste. Er schwebte hoch oben und perfekt im endlosen, blasslila Abendhimmel, und die indigofarbene See verschluckte sein Spiegelbild.

»Vertu deine Zeit nicht mit Quatschen, Mädchen – mach schon und frag ihn!« Er drehte sich gerade rechtzeitig um, um zu hören, wie eine Frau in mittleren Jahren, die hinter Morag stand, dieser ins Ohr zischte. Morag starrte sie wütend an.

»Willst du wohl still sein?«, zischte sie zurück. »Nein, ich hab gesagt, ich tu’s nicht!«

»Du bist ein Sturkopf, Morag«, erklärte die ältere Frau und trat unerschrocken vor, »und wenn du ihn nicht fragst, dann tu ich es für dich!«

Die gute Frau legte ihre breite Hand auf Rogers Arm und lächelte ihn charmant an.

»Wie heißt du denn, Junge?«

»MacKenzie, Ma’am«, sagte Roger respektvoll und verkniff sich ein Lächeln.

»Ah, MacKenzie, wirklich? Na, siehst du, Morag. Wahrscheinlich ist er auch noch mit deinem Mann verwandt und tut dir deswegen gern den Gefallen!« Die Frau wandte sich triumphierend an das Mädchen und schwang sich dann wieder herum, um Roger eine volle Breitseite ihrer Persönlichkeit zu verpassen.

»Sie stillt ein Baby und stirbt dabei vor Durst. Eine Frau muss viel trinken, wenn sie stillt, oder ihre Milch versiegt; das weiß jeder. Aber das dumme Gör kann sich nicht durchringen, dich um etwas mehr Wasser zu bitten. Das würde ihr hier doch keiner missgönnen – oder?«, fragte sie rhetorisch, indem sie sich umwandte und die anderen Frauen in der Schlange herausfordernd ansah. Wie zu erwarten war, wackelten ihre Köpfe von rechts nach links wie Uhrmacherspielzeuge.

Es wurde schon dunkel, doch Morags Gesicht rötete sich sichtlich. Sie presste die Lippen fest zusammen und nahm den randvollen Wassereimer mit einem kurzen Kopfnicken in Empfang.

»Ich dank Euch, Mr. MacKenzie«, murmelte sie. Sie blickte nicht auf, bis sie die Luke erreichte – doch dann hielt sie inne und sah sich nach ihm um, und ihr Lächeln war so voller Dankbarkeit, dass er spürte, wie ihm warm wurde trotz des scharfen Abendwindes, der ihm durch Hemd und Jacke blies.

Mit Bedauern sah er zu, wie die Emigranten nach der Wasserausteilung unter Deck stiegen und die Luke für die Dauer der Nachtwachen über ihnen dichtgemacht wurde. Er wusste, dass sie sich Geschichten erzählten und sangen, um sich die Zeit zu vertreiben, und er hätte viel darum gegeben, ihnen zuzuhören. Nicht nur aus Neugier, sondern auch aus Sehnsucht – es war weder Mitleid mit ihrer Armut, das ihn bewegte, noch der Gedanke an ihre unsichere Zukunft; es war der Neid um das Zusammengehörigkeitsgefühl, das unter ihnen herrschte.

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