»Zwangsarbeiter und Schuldner«, hatte Duff ihm erzählt, während er die Neuankömmlinge mit erfahrenem Blick musterte. »Bringen lebend auf ’ner Plantage pro Stück fünfzehn Pfund, Kinder drei oder vier. Säuglinge gibt’s gratis mit der Mutter.«
Der Seemann hustete, ein tiefes, rasselndes Geräusch wie beim Anlassen eines alten Motors, und spuckte einen Schleimklecks aus, der knapp die Reling verfehlte. Er schüttelte den Kopf, während er die dahinschlurfende Menschenreihe betrachtete.
»Ein paar davon können manchmal für die Reise zahlen, aber bei denen da sind es nicht viele. Sie haben bestimmt genug Probleme gehabt, pro Familie die zwei Pfund für den Reiseproviant aufzutreiben.«
»Dann verpflegt der Kapitän sie nicht?«
»Oh, aye.« Duff ließ es erneut in seiner Brust rumpeln, hustete und spuckte aus. »Gegen Bezahlung.« Er grinste Roger an, wischte sich den Mund ab und wies mit einem Ruck seines Kopfes auf das Fallreep. »Geh und hilf ihnen, Junge. Wir wollen doch nicht, dass der Profit des Kapitäns ins Wasser fällt, oder?«
Weil es ihn überraschte, wie dick gepolstert sich das kleine Mädchen anfühlte, das er an Bord schwang, schaute Roger näher hin und sah, dass der stämmige Körperbau bei vielen der Frauen nur ein Trugbild war, das dadurch hervorgerufen wurde, dass sie mehrere Kleiderschichten trugen; anscheinend alles, was sie auf der Welt besaßen, abgesehen von kleinen Bündeln mit ihrer persönlichen Habe, Lebensmittelkisten für die Reise – und den schmächtigen Kindern, für die sie diesen verzweifelten Schritt taten.
Roger hockte sich hin und lächelte ein widerstrebendes Kleinkind an, das am Rock seiner Mutter hing. Es war nicht älter als zwei, trug noch ein Kittelchen, hatte weiche, wilde, blonde Locken, und sein dicker, kleiner Mund war in ängstlicher Ablehnung sämtlicher Vorgänge um ihn herum verzogen.
»Komm schon, Mann«, sagte Roger leise und streckte ihm einladend die Hand hin. Es kostete ihn keine Mühe mehr, seinen Akzent in Schach zu halten; sein übliches, gepflegtes Oxbridge hatte sich zu dem sanfteren Highlanddialekt verschliffen, mit dem er aufgewachsen war und den er jetzt benutzte, ohne bewusst darüber nachzudenken. »Deine Mama kann dich jetzt nicht hochheben; komm mit mir.«
Der Kleine schniefte voller Misstrauen und sah ihn finster an, gestattete ihm aber, die kleinen Schmutzfinger von den Rockschößen seiner Mutter abzupellen. Roger trug den kleinen Jungen über das Deck, gefolgt von der schweigenden Frau. Sie blickte zu ihm hoch, als er ihr die Leiter herunterhalf, ihre Augen gebannt auf die seinen gerichtet; ihr Gesicht verschwand in der Dunkelheit wie ein weißer Stein, den man in einen Brunnen wirft, und er wandte sich mit dem beklommenen Gefühl ab, als hätte er jemanden dem Ertrinken überlassen.
Als er sich wieder seiner Arbeit zuwandte, sah er eine junge Frau, die gerade über dem Kai auftauchte. Sie war das, was man ein Prachtmädchen nannte – nicht schön, aber lebhaft und hübsch gebaut, und sie hatte etwas an sich, das die Blicke auf sich zog.
Vielleicht war es nur ihre Haltung; aufrecht wie ein Lilienstengel inmitten der gekrümmten und durchhängenden Rücken um sie herum. Oder ihr Gesicht, in dem Anspannung und Unsicherheit zu sehen waren, das aber dennoch vor Neugier leuchtete. Sie war eine Wagemutige, dachte er, und sein Herz – das vom Anblick der vielen niedergeschlagenen Gesichter unter den Emigranten bedrückt war – wurde bei ihrem Anblick leichter.
Sie zögerte beim Anblick des Schiffes und der Menschenmenge, die es umgab. Ein hochgewachsener, blonder, junger Mann begleitete sie, ein Baby auf dem Arm. Er berührte beruhigend ihre Schulter, und als sie zu ihm aufblickte, erleuchtete ihrerseits ein Lächeln ihr Gesicht, als entzündete sich ein Streichholz. Während er sie beobachtete, spürte Roger einen leichten Stich von etwas, das hätte Neid sein können.
»Hey, MacKenzie!« Der Ruf des Bootsmanns riss ihn aus seinen Gedanken. Der Bootsmann deutete mit seinem Kopf nach hinten. »Da wartet noch Fracht – und die spaziert nicht von alleine an Bord!«
Als sie erst einmal eingeschifft und auf See waren, verlief die Reise einige Wochen lang störungsfrei. Das stürmische Wetter, das ihren Exodus aus Schottland begleitet hatte, flaute zu gutem Wind und rollendem Seegang ab, und als unmittelbare Wirkung wurde zwar die Mehrheit der Passagiere seekrank, doch auch dieses Problem ließ mit der Zeit nach. Der Gestank von Erbrochenem aus dem Zwischendeck legte sich und schwand zu einem Unterton in der Symphonie des Gestanks an Bord der
Roger war mit einem ausgeprägten Geruchssinn zur Welt gekommen, ein Attribut, das er auf engem Raum als deutlichen Nachteil empfand. Doch auch die schärfste Nase gewöhnte sich mit der Zeit an alles, und innerhalb eines Tages nahm er nur noch die allerungewohntesten Gerüche wahr.