Da Roger es gewohnt war, sich in Pferdeanhängern oder in den Herrentoiletten von Kneipen umzuziehen, erschien ihm die kleine Kabine, die man ihm hinter der Bühne zugeteilt hatte, geradezu bemerkenswert luxuriös. Sie war sauber, sie hatte Garderobenhaken, und es schnarchten keine betrunkenen Gäste auf der Türschwelle. Klar, er war hier in Amerika, sinnierte er, während er seine Jeans aufknöpfte und sie zu Boden fallen ließ. Ein völlig anderer Standard, zumindest was den materiellen Komfort anging.
Er zog sich das Hemd mit den Trompetenärmeln über den Kopf und fragte sich, an welchen Lebensstandard Brianna gewöhnt war. Er hatte keine Ahnung von Frauenkleidung – wie teuer mochten wohl Bluejeans sein? –, aber er hatte ein bisschen Ahnung von Autos. Sie fuhr einen funkelnagelneuen blauen Mustang, und er war ganz spitz darauf, sich ans Steuer zu setzen.
Ganz offensichtlich hatten ihre Eltern sie gut versorgt – darauf konnte man sich bei Claire Randall verlassen. Er hoffte nur, dass es nicht so viel war, dass sie glaubte, er interessiere sich deswegen für sie. Bei dem Gedanken an ihre Eltern blickte er auf den braunen Briefumschlag: Sollte er ihn Brianna doch geben?
Pastors Katze war vor Schreck fast an die Decke gegangen, als sie durch den Bühneneingang gekommen waren und sich der 78th Fraser Highlanders’ Pipe Band aus Kanada gegenübergesehen hatten, die mit voller Kraft hinter den Garderoben probte. Sie war sogar blass geworden, als er sie dem Major vorgestellt hatte, einem alten Bekannten von ihm. Nicht dass Bill Livingston so ehrfurchteinflößend gewesen wäre, es war die Clannadel der Frasers gewesen, die an seiner Brust steckte.
Immerhin hatte sie ihm versichert, es wäre kein Problem für sie, allein herumzuschlendern, während er sich umzog und auf seinen Auftritt vorbereitete.
Und darauf sollte er sich jetzt am besten auch konzentrieren, dachte er, schloss die Schnallen seines Kilts an Taille und Hüfte und griff nach den langen Wollstrümpfen. Sein Auftritt war am frühen Nachmittag, eine Dreiviertelstunde, und dann noch eine kürzere Soloeinlage beim abendlichen
Er schlug die Strumpfbündchen ordentlich um und ließ den
Er schwang sich das Plaid über die Schulter, befestigte seine Brosche, umgürtete sich mit Dolch und Sporran, und dann war er so weit. Oder doch nicht ganz. Auf halbem Weg zur Tür hielt er inne.
Die uralte olivfarbige Unterhose stammte aus Militärbeständen, zirka Zweiter Weltkrieg, eins der wenigen Erinnerungsstücke an seinen Vater, die Roger besaß. Normalerweise trug er selten Unterhosen, doch manchmal benutzte er sie unter seinem Kilt als Verteidigungsmaßnahme gegen die erstaunliche Unverfrorenheit mancher Zuhörerinnen. Andere Musiker hatten ihn gewarnt, doch er hätte ihnen nicht geglaubt, hätte er es nicht am eigenen Leib erfahren. Deutsche waren am schlimmsten, aber er war auch schon auf einige Amerikanerinnen getroffen, die sich fast genauso viel herausnahmen, wenn er in ihre Nähe geriet.
Er glaubte nicht, dass solche Vorsichtsmaßnahmen hier nötig waren; das Publikum machte einen zivilisierten Eindruck, und er hatte gesehen, dass die Bühne außer Reichweite war. Und wenn er nicht auf der Bühne stand, würde Brianna bei ihm sein, und falls sie vorhatte, sich etwas herauszunehmen … Er warf die Unterhose wieder in die Tasche, oben auf den braunen Umschlag.
»Drück mir die Daumen, Paps«, flüsterte er und ging sie suchen.
»Wahnsinn!« Sie ging um ihn herum und machte Stielaugen. »Roger, du bist eine Wucht!« Sie lächelte ein wenig schief. »Meine Mutter hat immer gesagt, dass Männer in Kilts unwiderstehlich sind. Da hatte sie wohl recht.«
Er sah, wie sie schluckte, und hätte sie am liebsten für ihre Tapferkeit umarmt, doch sie hatte sich schon abgewandt und zeigte auf die Imbissbuden.
»Hast du Hunger? Ich habe mich umgesehen, während du dich umgezogen hast. Wir können wählen zwischen Tintenfischspießchen, Baja Fischtacos, polnischen Hot Dogs –«
Er nahm sie am Arm und drehte sie zu sich um.