»Hey«, sagte er leise, »es tut mir leid. Ich hätte dich nicht hergebracht, wenn ich geahnt hätte, dass es so ein Schock für dich sein würde.«
»Schon in Ordnung.« Diesmal war ihr Lächeln überzeugender. »Es ist – ich bin froh, dass du mich mitgenommen hast.«
»Wirklich?«
»Ja. Wirklich. Es ist –« Sie deutete hilflos auf das karierte Getümmel um sie herum. »Es ist so – schottisch.«
Fast hätte er gelacht: Nichts hätte Schottland weniger ähneln können als diese Mischung aus Touristennepp und dreistem Verkauf von pseudotraditionellem Ramsch. Gleichzeitig hatte sie recht, es
Diesmal umarmte er sie wirklich. Ihr Haar roch sauber und nach frischem Gras, und er spürte ihr Herz unter ihrem weißen T-Shirt schlagen.
»Du bist auch Schottin, weißt du?«, flüsterte er ihr ins Ohr und ließ sie wieder los. Ihre Augen leuchteten immer noch, aber jetzt lag ein anderer Ausdruck darin, dachte er.
»Da hast du wohl recht«, sagte sie und lächelte wieder, diesmal von Herzen. »Das heißt aber nicht, dass ich Haggis essen muss, oder? Ich habe da drüben welchen gesehen und mir gedacht, ich versuche es lieber mit einem Tintenfischspießchen.«
Er hatte gedacht, sie hätte einen Witz gemacht, aber das stimmte nicht. Der Veranstaltungsort hatte sich voll und ganz auf »folkloristische Veranstaltungen« verlegt, wie es einer der Standbetreiber nannte.
»Polka tanzende Polen, Jodler aus der Schweiz – Mensch, die hatten mindestens zehn Millionen Kuckucksuhren dabei! Spanier, Italiener, japanische Kirschblütenfeste – unglaublich, wie viele Kameras die Japse haben, einfach unglaublich.« Der Mann schüttelte gedankenverloren den Kopf und schob zwei Pappteller mit Hamburgern und Fritten herüber.
»Wie auch immer, alle zwei Wochen ist hier was anderes los. Da kommt keine Langeweile auf. Wir verkaufen natürlich einfach weiter, egal, welche Sorte Essen.« Der Mann warf einen interessierten Blick auf Rogers Kilt.
»Und, sind Sie Schotte, oder tragen Sie nur gern ’nen Faltenrock?«
Roger, der schon einige Dutzend Variationen dieser Hänselei gehört hatte, blickte den Mann ausdruckslos an.
»Nun, wie mein alter Großvater immer gesagt hat«, begann er, wobei er immer stärker ins Schottische verfiel, »wenn du dein’ Kilt anziehst, Jungchen, kannste auch sicher sein, dass du ’n Mann bist.«
Der Mann krümmte sich vor Lachen, und Brianna verdrehte die Augen.
»Kiltwitze«, murmelte sie. »Lieber Himmel, wenn du jetzt auch noch anfängst, Kiltwitze zu erzählen, fahre ich los und lasse dich hier sitzen, das schwöre ich.«
Roger grinste sie an.
»Och, das würd’ste doch nicht tun, oder? Einfach weggehn und ’nen Mann verlassen, nur weil er dir sagen will, was er unterm Kilt trägt?«
Ihre Augen verengten sich zu blauen Dreiecken.
»Na, ich wette, unter
Roger verschluckte sich an seinen Pommes frites.
»Eigentlich käme jetzt ›Gib mir mal die Hand, dann zeig ich’s dir‹«, fiel der Standbesitzer ein. »Mann, habe ich den Spruch diese Woche schon oft gehört.«
»Wenn er das jetzt sagt«, warf Brianna finster ein, »fahre ich weg und lasse ihn auf diesem Berg hocken. Von mir aus kann er hierbleiben und sich von Tintenfisch ernähren.«
Roger trank einen Schluck Coca-Cola und hielt wohlweislich den Mund.
Sie hatten Zeit genug, durch die Budengassen zu wandern. Hier wurde alles Mögliche verkauft, von Tartankrawatten über irische Flöten, Silberschmuck, schottische Clan-Landkarten, Butterscotch und Shortbread, Highlanderfigurinen aus Blei, Bücher, Schallplatten bis hin zu allen erdenklichen Gegenständen, die sich mit einem Clansymbol oder -motto bedrucken ließen.
Roger zog nur gelegentlich neugierige Blicke auf sich. Seine Tracht war zwar von besserer Qualität als die vieler anderer, fiel hier aber ansonsten nicht auf. Das Publikum bestand zum Großteil aus Touristen, die Shorts und Jeans trugen und deren Kleidung nur hier und dort in Karomuster ausbrach.
»Wieso MacKenzie?«, fragte Brianna und blieb bei einer Bude mit Clan-Schlüsselanhängern stehen. Sie nahm einen der Silberanhänger in die Hand, auf dem
Roger zuckte mit den Achseln.
»Zum Teil. Aber es ist auch mein Nachname. Meine Eltern sind beide im Krieg umgekommen, und mein Großonkel hat mich adoptiert. Er hat mir seinen eigenen Namen gegeben – aber eigentlich heiße ich Roger Jeremiah MacKenzie.«
»Jeremiah?« Sie lachte nicht laut heraus, doch ihre Nasenspitze lief rot an, als müsste sie sich Mühe geben, es nicht zu tun. »Wie der Prophet im Alten Testament?«