Und doch, jetzt wo er es bei Brianna sah … er konnte ihr stundenlang zusehen, dachte er, und fühlte sich dabei daran erinnert, wie sich seine Schwester jedes Mal voller Faszination dicht über ihre Neugeborenen beugte. Vielleicht war das der Grund, warum Eltern ihre Kinder mit solcher Verzauberung beobachteten, dachte er; weil sie all die kleinen Bindeglieder entdeckten, die die Kette des Lebens zwischen ihnen knüpften, von einer Generation zur nächsten.
Er zuckte mit den Achseln und zog das Hemd aus. Er war hier schließlich zu Hause; es war niemand da, der die Narben auf seinem Rücken sehen konnte, und niemand, den sie etwas angingen, wenn es doch geschah. Die Luft traf kühl und unvermittelt auf seine feuchte Haut, doch ein paar Axthiebe brachten sein Blut wieder zum Pulsieren.
Er liebte Jennys Kinder sehr – vor allem Ian, den kleinen Trottel, dessen Mischung aus Unvernunft und dickköpfiger Courage ihn so sehr an sich selbst in diesem Alter erinnerte. Sie alle waren schließlich mit ihm verwandt. Doch Brianna …
Brianna war sein eigen Fleisch und Blut. Ein unausgesprochenes Versprechen an seine Eltern, das er eingelöst hatte; sein Geschenk an Claire und ihres an ihn.
Nicht zum ersten Mal ertappte er sich dabei, dass er sich Gedanken über Frank Randall machte. Was hatte sich Randall gedacht, wenn er das Kind eines anderen Mannes im Arm hielt – eines Mannes, den zu lieben er keinen Grund hatte.
Was das anging, war Randall ja vielleicht doch der bessere Mensch gewesen – weil er ein Kind um seiner Mutter willen angenommen hatte, nicht um seiner selbst willen; weil er sich an ihrem Gesicht nur um seiner Schönheit willen erfreut hatte und nicht, weil er sich selbst darin wiederfand. Er schämte sich vage und schlug heftiger zu, um das Gefühl zu vertreiben.
Sein Verstand war vollständig mit seinen Gedanken beschäftigt, nicht mit seiner Arbeit. Doch wenn er die Axt benutzte, war sie ebenso ein Teil seines Körpers wie die Arme, die sie schwangen. Genauso wie ein Ziehen in seinem Arm oder Ellbogen ihn auf der Stelle vor einer Verletzung gewarnt hätte, bremste ihn jetzt eine schwache Vibration, eine unmerkliche Gewichtsverlagerung mitten im Schwung, so dass die gelockerte Klinge über die Lichtung flog, ohne Schaden anzurichten, anstatt sich in seinen verletzlichen Fuß zu rammen.
Er warf einen Blick auf den halbfertigen Brunnen und zuckte verärgert mit den Achseln. Noch eine Arbeit, die getan werden musste, für die er aber keine Zeit hatte. Doch sie würde einfach warten müssen; sie konnten immer Wasser vom Bach hochschleppen oder Schnee schmelzen, aber ohne Brennholz würden sie verhungern oder erfrieren – oder beides.
Die Tür ging auf, und Claire kam heraus, durch ihren Umhang vor der Kühle der herbstlichen Schatten geschützt, ihren Korb über dem Arm. Brianna war hinter ihr, und bei ihrem Anblick vergaß er seine Verärgerung.
»Was hast du gemacht?«, fragte Claire sogleich, als sie ihn mit der Axtklinge in der Hand sah. Ihr Blick überflog ihn schnell und suchte nach Blut.
»Nein, ich bin nicht verletzt«, beruhigte er sie. »Ich muss nur den Griff reparieren. Geht ihr Kräuter suchen?« Er wies kopfnickend auf Claires Korb.
»Ich dachte, wir könnten flussaufwärts Holunderpilze suchen.«
»Ah? Geht nicht zu weit weg, aye? Es sind Indianer weiter hinten auf dem Berg auf der Jagd. Ich habe sie heute Morgen auf dem Grat gerochen.«
»Du hast sie gerochen?«, fragte Brianna.
Sie zog fragend ihre rote Augenbraue hoch. Er sah, wie Claire von Brianna zu ihm blickte und schwach lächelte; also war es eine seiner eigenen Gesten. Er zog die Augenbrauen hoch, sah Claire an, und ihr Lächeln wurde breiter.
»Es ist Herbst, und sie räuchern Wild«, erklärte er Brianna. »Man kann die Räucherfeuer weit riechen, wenn der Wind richtig steht.«
»Wir gehen nicht weit weg«, versicherte ihm Claire. »Nur am Forellenteich vorbei.«
»Aye, gut. Ich schätze, das ist wohl sicher.« Es widerstrebte ihm etwas, die Frauen gehen zu lassen, doch er konnte sie kaum im Haus einsperren, nur weil Wilde in der Nähe waren – die Indianer waren zweifelsohne friedlich mit ihren Wintervorbereitungen beschäftigt, genau wie er.
Wenn er nur sicher wüsste, ob es Nacognawetos Leute waren, dann würde er sich keine Sorgen machen, doch es war so, dass die Jäger oft weit ins Land zogen und es genauso gut Cherokee sein konnten oder jener seltsame kleine Stamm, der sich das Hundevolk nannte. Nur eins ihrer Dörfer war übrig geblieben, und sie waren weißen Fremden gegenüber zutiefst misstrauisch – und das nicht ohne Grund.