Brianna ließ widerstrebend ihre Staffelei stehen, hob ihr persönliches Skizzenbuch auf und klemmte es sich unter den Arm, während sie Jocasta den anderen hinhielt. Sie hatte nicht vor,
»Wir bekommen heute Gesellschaft«, sagte Jocasta, indem sie sich zum Haus zurückwandte. »Richter Alderdyce aus Cross Creek und seine Mutter. Ich dachte, vielleicht möchtest du dich vor dem Essen umziehen.« Brianna biss sich von innen auf die Wange, um sich jeglicher Erwiderung auf diesen alles andere als subtilen Hinweis zu enthalten. Noch mehr Besucher.
Unter den gegebenen Umständen konnte sie es kaum ablehnen, die Gäste ihrer Tante kennenzulernen – oder ihre Kleider für sie zu wechseln –, doch sie hätte sich gewünscht, dass Jocasta die Gesellschaft etwas weniger liebte. Der Strom der Besucher riss nicht ab; zum Mittagessen, zum Tee, zum Abendessen, über Nacht, zum Frühstück kamen sie, um Pferde zu kaufen, Kühe zu verkaufen, mit Holz zu handeln, Bücher auszuleihen, Geschenke zu bringen oder zu musizieren. Sie kamen von den benachbarten Plantagen, aus Cross Creek und sogar aus Edenton oder New Bern.
Jocasta hatte einen verblüffenden Bekanntenkreis. Allerdings war Brianna in letzter Zeit aufgefallen, dass die Besucher mit steigender Tendenz Männer waren. Unverheiratete Männer.
Phaedre bestätigte den Verdacht, den Brianna äußerte, während das Dienstmädchen im Kleiderschrank nach einem frischen Vormittagskleid suchte.
»Es gibt nicht viele unverheiratete Frauen in der Kolonie«, observierte Phaedre, als Brianna den merkwürdigen Zufall erwähnte, dass die meisten Besucher der letzten Zeit Junggesellen waren. Phaedre warf einen Seitenblick auf Briannas Taille, die sich merklich unter dem losen Hemd vorwölbte. »Schon gar keine jungen. Ganz zu schweigen von Frauen, die Erbinnen von River Run sind.«
»Die
Phaedre legte ihre zierliche Hand über ihren Mund und blickte mit weit aufgerissenen Augen darüber hinweg.
»Eure Tante hat’s Euch noch nicht gesagt? Dachte, Ihr wüsstet’s schon, sonst hätt ich nichts gesagt.«
»Na schön, wo du jetzt schon so viel gesagt hast, sprich weiter. Was meinst du damit?« Phaedre, die ein geborenes Klatschmaul war, brauchte man nicht lange zu überreden.
»Euer Papa und die anderen waren noch keine Woche weg, da hat Miss Jo nach dem Anwalt Forbes geschickt und ihr Testament geändert. Wenn Miss Jo stirbt, dann bekommt Euer Papa ein bisschen Geld, und Mr. Farquard und ein paar andere Freunde bekommen ein paar persönliche Gegenstände – aber alles andere gehört Euch. Die Plantage, das Holz, die Sägemühle …«
»Aber ich will es nicht!«
Phaedres elegant hochgezogene Augenbraue drückte profunden Zweifel aus und senkte sich dann unbeeindruckt.
»Tja, schätze, was Ihr wollt, zählt hier nicht. Miss Jo hat die Angewohnheit, zu bekommen, was
Brianna legte langsam die Haarbürste hin.
»Und was genau
»Ist kein großes Geheimnis. Sie will, dass River Run sie überdauert – und einem Blutsverwandten gehört. Kommt mir logisch vor; sie hat keine Kinder, keine Enkel. Wer sollte sonst nach ihr weitermachen?«
»Na ja … mein Vater?«
Phaedre legte das frische Kleid über das Bett und sah es mit einem abschätzenden Stirnrunzeln an. Dann blickte sie wieder auf Briannas Mitte.
»Das passt keine zwei Wochen mehr, so wie der Bauch da wächst. Oh, ja, Euer Papa. Sie hat versucht, ihn zu ihrem Erben zu machen, aber nach dem, was mir zu Ohren gekommen ist, wollte er nichts davon hören.« Sie spitzte belustigt die Lippen.
»Das ist noch mal ein sturer Kerl. Verzieht sich in die Berge und lebt wie eine Rothaut, nur, damit er nicht tun muss, was Miss Jo von ihm will. Aber Mr. Ulysses meint, er hat es richtig gemacht. Er und Miss Jo würden Tag und Nacht aneinandergeraten, wenn er geblieben wär.«
Brianna steckte langsam die andere Hälfte ihres Haars hoch, doch die Haarnadel rutschte heraus und ließ es wieder herabfallen.
»Kommt, lasst mich das mal machen, Miss Brianna.« Phaedre trat hinter sie, zog die schlampig befestigten Haarnadeln heraus und fing an, ihr das Haar an den Seiten geschickt zu flechten.
»Und all diese Besucher – diese Männer …«
»Miss Jo sucht schon einen guten für Euch aus«, versicherte ihr Phaedre. »Ihr könntet die Plantage auch nicht besser allein betreiben als Miss Jo. Dieser Mr. Duncan, den schickt der Himmel; weiß nicht, was sie ohne ihn tun würde.«
»Sie versucht, einen Mann für mich zu finden? Sie präsentiert mich wie – wie eine preisgekrönte Färse?«
»Hm-mm.« Phaedre schien nichts Schlimmes daran zu finden. Sie runzelte die Stirn und zog geschickt eine einzelne Locke in den Hauptzopf.
»Aber sie weiß doch von Roger – von Mr. Wakefield! Wie kann sie da versuchen, mich mit jemand anderem –«
Phaedre seufzte, nicht ohne Mitgefühl.