»Das hat man mir auch gesagt.« Er rutschte wieder auf der harten Holzbank hin und her. Er reckte seinen Kopf zur Seite, um seine Halsmuskeln zu entspannen, und warf einen Blick zu ihr hinauf. »Ihr seid aber nicht aus Mitleid hier, schätze ich.«
»Nein«, sagte sie nachdenklich. »Um ehrlich zu sein, werde ich sehr viel besser schlafen, wenn Ihr erst tot seid.«
Er starte sie einen Moment lang an und brach dann in Gelächter aus. Er lachte so heftig, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb; er wischte sie achtlos weg, indem er den Kopf verdrehte, um sein Gesicht an seiner hochgezogenen Schulter abzuwischen, dann richtete er sich auf, die Spuren des Lachens immer noch im Gesicht.
»Was wollt Ihr dann von mir?«
Sie öffnete den Mund, um zu antworten, und ganz plötzlich löste sich die Verbindung zwischen ihnen auf. Sie hatte sich nicht bewegt, fühlte sich aber, als hätte sie mit einem Schritt einen unüberwindlichen Abgrund überquert. Jetzt stand sie sicher auf der anderen Seite, allein. Herrlich allein. Er konnte sie nicht mehr berühren.
»Nichts«, sagte sie, ihre Stimme klar in ihren Ohren. »Ich will nicht das Geringste von Euch. Ich bin gekommen, um Euch etwas zu geben.«
Sie öffnete ihren Umhang und fuhr mit den Händen über die Rundung ihres Bauches. Der kleine Bewohner räkelte und wälzte sich, seine Berührung eine blinde Liebkosung von Hand und Bauch, intim und fern zugleich.
»Von Euch«, sagte sie.
Er blickte auf ihren Kugelbauch und dann zu ihr.
»Es haben schon ganz andere Huren versucht, mir ihre Brut aufzuhalsen«, sagte er. Doch er sprach ohne Heftigkeit, und sie meinte, eine neue Ruhe hinter dem Argwohn in seinen Augen zu sehen.
»Haltet Ihr mich für eine Hure?« Es war ihr egal, ob er es tat oder nicht, obwohl sie es bezweifelte. »Ich habe keinen Grund zu lügen. Ich habe Euch schon gesagt, dass ich nichts von Euch will.«
Sie zog den Umhang wieder zusammen und bedeckte sich. Dann richtete sie sich auf und spürte, wie bei der Bewegung der Schmerz in ihrem Rücken nachließ. Es war geschehen. Sie konnte gehen.
»Ihr werdet sterben«, sagte sie zu ihm, und obwohl sie nicht aus Mitleid gekommen war, stellte sie überrascht fest, dass sie es empfand. »Wenn es Euch das Sterben erleichtert zu wissen, dass etwas von Euch auf der Erde zurückbleibt – dann sollt Ihr dieses Wissen gerne haben. Aber ich bin jetzt mit Euch fertig.«
Sie drehte sich um, um die Laterne aufzuheben, und sah zu ihrer Überraschung die Tür einen Spaltbreit offen stehen. Ihr blieb keine Zeit, auf Lord John wütend zu sein, weil er gelauscht hatte, weil die Tür jetzt vollständig aufschwang.
»Tja, war ja ’ne elegante Rede, Ma’am«, sagte Sergeant Murchison besonnen. Dann lächelte er breit und brachte den Kolben seiner Muskete auf eine Höhe mit ihrem Bauch. »Aber ich kann nicht sagen, dass ich schon ganz mit Euch fertig bin.«
Sie trat schnell einen Schritt zurück und schwang ihm aus reinem Abwehrmechanismus heraus die Laterne an den Kopf. Er duckte sich mit einem Aufschrei, und ein eiserner Griff umklammerte ihr Handgelenk, bevor sie die Laterne erneut gegen ihn schleudern konnte.
»Himmel, das war knapp! Du bist schnell, Mädchen, wenn auch nicht ganz so schnell wie der gute Sergeant.« Bonnet nahm ihr die Laterne ab und ließ ihr Handgelenk los.
»Ihr seid überhaupt nicht angekettet«, sagte sie überflüssigerweise und starrte ihn an. Dann holte ihr Verstand auf, und sie wirbelte herum und stürzte zur Tür. Murchison schob seine Muskete vor sie und versperrte ihr den Weg, doch nicht, bevor sie den dunklen Korridor vor der Tür gesehen hatte – und die schwach erleuchtete Gestalt, die draußen mit dem Gesicht nach unten auf den Ziegeln ausgebreitet lag.
»Ihr habt ihn umgebracht«, flüsterte sie. Ihre Lippen waren taub vor Schreck, und eine Furcht, die tiefer ging als die Übelkeit, fuhr ihr in die Knochen. »Oh, Gott. Ihr habt ihn umgebracht.«
»Wen umgebracht?« Bonnet hielt die Laterne hoch und blickte auf das buttergelbe, hingegossene Haar, das mit Blut befleckt war. »Wer zum Teufel ist das?«
»Eine Vorwitznase«, schnappte Murchison. »Beeilung, Mann! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Ich hab mich um Hodgepile gekümmert, und die Lunten brennen.«
»Wartet!« Bonnet blickte stirnrunzelnd von Murchison zu Brianna.
»Wir haben keine Zeit, habe ich gesagt.« Der Sergeant hob seine Muskete und überprüfte die Zündung. »Keine Sorge, niemand wird sie finden.«
Brianna konnte den Schwefelgeruch des Schießpulvers in der Zündung riechen. Der Sergeant hob den Gewehrschaft an seine Schulter und wandte sich ihr zu, doch es war zu eng; ihr Bauch war im Weg, und er hatte keinen Platz, um den langen Lauf zu heben.
Der Sergeant grunzte verärgert, drehte das Gewehr um und erhob es, um sie mit dem Kolben niederzuknüppeln.
Ihre Hand umklammerte den Lauf, bevor ihr klar war, dass sie danach gegriffen hatte. Alles schien sich sehr langsam zu bewegen, während Murchison und Bonnet erstarrt dastanden. Sie selbst fühlte sich völlig abwesend, so als stünde sie als Zuschauerin daneben.