Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

»Warum?« Ihre Hände hielten das Gewehr, verschwitzt, aber ruhig. Das Baby bewegte sich und erinnerte sie daran, dass auch sie keine Zeit zu verlieren hatte. Doch sie würde eine Minute riskieren, um es zu erfahren. Sie musste es um John Greys willen wissen, dessen Körper leblos hinter ihr auf dem Boden lag. »Ihr habt gerade einen wunderbaren Mann umgebracht, und ich will wissen, warum!«

Er machte eine frustrierte Geste.

»Die Schmuggelei!«, sagte er. »Wir waren Partner, der Sergeant und ich. Ich habe ihm billige Schmuggelware besorgt, er hat sie mit dem Siegel der Krone versehen. Er stahl lizenzierte Ware, ich habe sie für einen guten Preis verkauft und den Erlös mit ihm geteilt.«

»Weiter.«

Er tänzelte fast vor Ungeduld.

»Ein Soldat – Hodgepile – war uns auf der Spur und hat herumgefragt. Murchison konnte nicht sagen, ob er es weitererzählt hatte, aber es war nicht klug, es darauf ankommen zu lassen, nicht, nachdem man mich festgenommen hatte. Der Sergeant hat den letzten Alkohol aus dem Lagerhaus geholt, ihn durch Terpentinfässer ersetzt und die Lunten gelegt. Alles fliegt in die Luft, niemand kann sagen, dass da etwas anderes als Brandy gebrannt hat – keine Spur von einem Diebstahl. Das ist es, das ist alles. Jetzt lasst mich gehen!«

»Gut.« Sie senkte die Muskete ein paar Zentimeter, entspannte sie aber noch nicht. »Was ist mit ihm?« Sie wies kopfnickend auf den am Boden liegenden Sergeanten, der zu prusten und zu murmeln begann.

Er sah sie verständnislos an.

»Was ist mit ihm?«

»Nehmt Ihr ihn nicht mit?«

»Nein.« Er stahl sich auf die eine Seite, hielt Ausschau nach einem Weg an ihr vorbei. »Um des lieben Himmels willen, Frau, lasst mich und rettet Euch selbst! Da oben sind zwölf Zentner Pech und Terpentin. Es wird hochgehen wie eine Bombe!«

»Aber er lebt noch! Wir können ihn doch nicht hierlassen!«

Bonnet warf ihr einen völlig entnervten Blick zu und durchquerte dann mit zwei Schritten den Raum. Er bückte sich, riss dem Sergeanten den Dolch aus dem Gürtel und zog ihn fest über seine fette Kehle, genau über der ledernen Halsbinde. Blut spritzte wie Gischt auf Bonnets Hemd und sprühte gegen die Wand.

»So«, sagte er und richtete sich auf. »Jetzt lebt er nicht mehr. Lasst ihn.«

Er ließ den Dolch fallen, schob sie zur Seite und sprang mit einem Satz hinaus in den Korridor. Sie konnte hören, wie sich seine Schritte entfernten, schnell und schallend auf dem Backstein.

Der Schock der Aktion und Reaktion ließ sie am ganzen Leib erzittern, und sie stand eine Sekunde lang still, während sie auf John Greys Körper hinabstarrte. Trauer erfasste sie, und ihr Bauch ballte sich fest zusammen. Sie fühlte keinen Schmerz, doch jede Faser in ihr hatte sich zusammengezogen; ihr Bauch wölbte sich vor, als hätte sie einen Basketball verschluckt. Sie fühlte sich atemlos, zu keiner Bewegung fähig.

Nein, dachte sie, eindeutig an das Kind in ihr gerichtet. Ich habe keine Wehen, absolut, ganz bestimmt nicht. Ich lasse es nicht zu. Bleib, wo du bist. Ich habe jetzt keine Zeit.

Sie trat zwei Schritte in den Korridor hinaus, dann blieb sie stehen. Nein, sie musste zumindest nachsehen, sichergehen. Sie drehte sich zurück und kniete sich neben John Greys Körper. Er hatte tot ausgesehen, als sie ihn anfangs dort liegen gesehen hatte, und das war immer noch so; er hatte sich weder bewegt noch auch nur gezuckt, seit sie seinen Körper entdeckt hatte.

Sie beugte sich vor, konnte aber kaum über ihren Kugelbauch hinüberreichen. Sie ergriff seinen Arm und zog an ihm, versuchte, ihn umzudrehen. Er war zwar ein kleiner, feinknochiger Mann, doch er war trotzdem schwer. Sein Körper kippte nach oben, rollte schlaff mit baumelndem Kopf auf sie zu, und ihr sank erneut das Herz, als sie seine halb geschlossenen Augen und seinen offenstehenden Mund sah. Doch sie griff unter seine Kinnlade und suchte hektisch nach einer Pulsstelle.

Wo zum Teufel war es? Sie hatte schon öfter gesehen, wie ihre Mutter das in Notfällen machte; schneller zu finden als ein Puls im Handgelenk, hatte sie gesagt. Sie konnte keinen finden. Wie lange noch, wie lange würden die Lunten brennen?

Sie wischte sich mit einer Falte ihres Umhangs über ihr klammes Gesicht und versuchte nachzudenken. Sie blickte hinter sich und schätzte die Entfernung zur Treppe ab. Himmel, konnte sie es riskieren, selbst wenn sie es allein tat? Die Vorstellung, in dem Moment oben im Lagerhaus aufzutauchen, wenn dort alles in die Luft ging – sie warf einen Blick nach oben, bückte sich dann über ihre Aufgabe und versuchte es noch einmal. Sie drückte seinen Kopf weit nach hinten. Sie konnte die verdammte Vene unter seiner Haut sehen – da musste der Puls doch sein, oder?

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