Kapitel 9
Die Schwelle zum Krieg
Robert Higgins war ein schmächtiger junger Mann, so dünn, dass es den Anschein hatte, als würden seine Knochen mit Mühe und Not von seinen Kleidern zusammengehalten, und so blass, dass man sich leicht einbilden konnte, er sei tatsächlich durchsichtig. Dafür hatte ihn die Natur jedoch mit großen, aufrichtigen, blauen Augen, einer welligen, hellbraunen Haarpracht und einem derart schüchternen Auftreten bedacht, dass Mrs. Bug ihn augenblicklich unter ihre Fittiche nahm und ihre Absicht kundtat, ihn »aufzupäppeln«, bevor er wieder nach Virginia aufbrach.
Auch ich mochte Mr. Higgins sehr; er war ein lieber Junge mit dem sanften Akzent seiner Heimat Dorset. Allerdings fragte ich mich doch, ob Lord John Greys Großzügigkeit ihm gegenüber wirklich so uneigennützig war, wie es schien.
Auch John Grey war mir widerstrebend ans Herz gewachsen, nachdem wir vor ein paar Jahren gemeinsam die Masern durchgestanden hatten und er Brianna während Rogers Gefangenschaft bei den Irokesen ein guter Freund gewesen war. Dennoch blieb mir stets bewusst, dass Lord John Männer liebte – ganz besonders Jamie, jedoch mit Sicherheit auch andere Männer.
»Beauchamp«, sagte ich zu mir selbst, während ich Waldlilienknollen zum Trocknen ausbreitete, »du hast einen ausgesprochen argwöhnischen Charakter.«
»Aye, das stimmt«, sagte eine belustigt klingende Stimme hinter mir. »Wen verdächtigst du denn, was getan zu haben?«
Ich fuhr erschrocken zusammen, und die Lilienknollen flogen in alle Richtungen.
»Oh, du bist es«, knurrte ich. »Warum musst du dich so an mich heranschleichen?«
»Übung«, sagte Jamie und küsste mich auf die Stirn. »Ich möchte doch die Kunst der Pirsch nicht verlernen. Warum führst du Selbstgespräche?«