»Nun, Jamie ist genauso stur wie der Rest seiner Familie – wie die Steinbrocken, alle, wie sie da sind, und er ist der Schlimmste.« Doch seine Stimme hatte eindeutig, wenn auch widerwillig, einen respektvollen Unterton.
»Jamie hat dir gesagt, dass er ausgepeitscht wurde, weil er geflohen ist?«
»Ja.«
»Aye, er ist über die Mauer, als es dunkel wurde, am selben Tag, an dem ihn die Dragoner eingesperrt haben. Das kam dort häufig vor, weil die Quartiere der Gefangenen nicht so gesichert sind, wie es wünschenswert wäre. Also sind die Engländer jede Nacht an der Mauer auf Patrouille gegangen. Der Garnisonsschreiber hat mir erzählt, dass sich Jamie heftig gewehrt hat, so, wie er bei seiner Rückkehr aussah, aber sie waren sechs gegen einen, und alle sechs hatten Musketen, deshalb hat es nicht lange gedauert. Jamie hat die Nacht in Ketten verbracht und ist gleich am Morgen zum Auspeitschen an den Pfosten geschleppt worden.« Er hielt inne, vermutlich um zu prüfen, ob ich drohte in Ohnmacht zu fallen oder mich zu übergeben.
»Auspeitschungen wurden gleich nach dem Appell vorgenommen, um die Männer auf ihr Tagewerk einzustimmen. An diesem Tag sollten drei Männer ausgepeitscht werden, und Jamie war der letzte.«
»Du hast es tatsächlich
»Oh, aye. Und ich sage dir, Kleine, es ist kein Vergnügen, mit anzusehen, wie jemand ausgepeitscht wird. Zwar habe ich das Glück, dass ich es nie am eigenen Leib erfahren musste, aber ich vermute, ausgepeitscht zu
»Das bezweifle ich nicht«, murmelte ich.
Dougal nickte. »Jamies Gesicht war zwar grimmig, aber er hat keine Miene verzogen, auch nicht, als er die Schreie und … all das andere gehört hat. Wusstest du, dass man es
»Uh!«
»Das dachte ich damals auch«, sagte er und verzog das Gesicht bei der Erinnerung. »Ganz zu schweigen von dem Blut und den Verletzungen. Pfui!« Er spuckte aus, achtete aber sorgsam darauf, die Quelle und ihren Rand nicht zu treffen. »Bei dem Anblick hat sich mir der Magen umgedreht, und ich bin wirklich nicht empfindlich.«
Dougal fuhr mit seiner grausigen Geschichte fort.
»Als Jamie an der Reihe ist, geht er zum Pfosten – manche Männer muss man dorthin schleifen, aber nicht ihn – und streckt die Hände aus, damit der Korporal ihm die Handeisen aufschließen kann. Der Korporal will ihn am Arm weiterziehen, aber Jamie schüttelt ihn ab und tritt einen Schritt zurück. Ich habe halb erwartet, dass er Fersengeld geben würde, aber stattdessen zieht er sich nur das Hemd aus. Es hat ein paar Risse und ist dreckig wie ein Putzlappen, aber er faltet es sorgfältig zusammen, als wäre es sein Sonntagsstaat, und legt es auf den Boden. Dann geht er aufrecht wie ein Soldat zum Pfosten und hält die Hände hoch, damit man sie festbinden kann.«
Dougal schüttelte staunend den Kopf. Das Sonnenlicht, das durch das Laub der Eberesche fiel, besprenkelte ihn mit Schatten, so dass er aussah wie durch ein Spitzendeckchen betrachtet. Ich lächelte bei diesem Gedanken, und er nickte mir beifällig zu, weil er es für eine Reaktion auf seine Erzählung hielt.
»Aye, Kleine, solcher Mut ist sehr selten. Er wusste ja, was kam; er hatte schließlich gerade gesehen, wie zwei Männer ausgepeitscht wurden, und er wusste, dass ihm das Gleiche bevorstand. Er hatte nur einfach beschlossen, dass es nicht zu ändern war. Kühnheit im Kampf ist nichts Ungewöhnliches für einen Schotten, aber kaltblütig die eigene Angst zu besiegen, ist etwas sehr Seltenes. Er war damals erst neunzehn«, fügte Dougal wie nebenbei hinzu.
»Es muss grauenvoll anzusehen gewesen sein«, sagte ich ironisch. »Ein Wunder, dass dir nicht schlecht geworden ist.«
Dougal hörte die Ironie, ging aber nicht darauf ein. »Es hat wirklich nicht viel gefehlt, Kleine«, sagte er und zog seine dunklen Augenbrauen hoch. »Er hat schon beim ersten Peitschenschlag geblutet, und innerhalb einer Minute war der Rücken des Jungen halb rot und halb blau. Aber er hat nicht geschrien oder um Gnade gefleht oder sich umgedreht, um sich irgendwie zu retten. Er hat nur die Stirn fest gegen den Pfosten gepresst und ist dagestanden. Natürlich ist er zusammengezuckt, wenn ihn der Riemen traf, aber das war alles. Ich glaube nicht, dass ich das könnte«, räumte er ein, »oder dass es viele andere gibt, die so etwas könnten. Nach der Hälfte ist er ohnmächtig geworden, und sie haben ihn mit Wasser aus einem Krug übergossen, ihn damit geweckt und es zu Ende gebracht.«
»Das klingt alles grauenvoll«, sagte ich. »Warum erzählst du mir davon?«
»Ich bin noch längst nicht fertig.« Dougal zog den Dolch aus seinem Gürtel und fing an, sich die Fingernägel damit zu reinigen. Er war ein penibler Mann, so schwierig es war, sich unterwegs sauber zu halten.