»Fehlt dir etwas?«, flüsterte er. Seine Finger streiften meine feuchte Wange.
»Nein. Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich hatte einen Alptraum. Was in aller Welt …« Ich wollte ihn fragen, was es war, das ihn so abrupt alarmiert hatte.
Eine große warme Hand fuhr mir über den nackten Arm und unterbrach meine Frage. »Kein Wunder, du frierst ja.« Die Hand schob mich unter den Deckenberg an die warme Stelle, die er gerade verlassen hatte. »Meine Schuld«, murmelte er. »Ich habe die ganzen Decken für mich beansprucht. Ich fürchte, ich bin noch nicht daran gewöhnt, das Bett mit jemandem zu teilen.« Er schlang die Decken schützend um uns beide und legte sich wieder neben mich. Im nächsten Moment streckte er noch einmal die Hand aus, um mein Gesicht zu berühren.
»Liegt es an mir?«, fragte er leise. »Kannst du mich nicht ertragen?«
Ich lachte abgehackt auf, so dass es fast wie ein Schluchzen klang. »Nein, es liegt nicht an dir.« Ich tastete in der Dunkelheit nach einer Hand, die ich beruhigend drücken konnte. Meine Finger fanden erst ein Gewirr aus Decken und warmer Haut, doch schließlich stieß ich auf die Hand, die ich gesucht hatte. Seite an Seite lagen wir da und blickten zu den Deckenbalken auf.
»Was, wenn ich sagen würde, dass ich dich nicht ertragen kann?«, fragte ich plötzlich. »Was in aller Welt könntest du tun?« Das Bett ächzte, als er mit den Schultern zuckte.
»Vermutlich würde ich Dougal sagen, dass du die Annullierung wünschst, weil die Ehe nicht vollzogen wurde.«
Diesmal lachte ich ganz unverhohlen. »Nicht vollzogen! Bei all diesen Zeugen?«
Es wurde jetzt hell genug im Zimmer, um das Lächeln in dem Gesicht zu sehen, das sich mir zuwandte. »Aye, nun ja, Zeugen oder nicht, wir beide sind doch die Einzigen, die es mit Sicherheit sagen können, oder? Und ich bin lieber bloßgestellt als mit jemandem verheiratet, der mich hasst.«
Ich wandte mich ihm zu. »Ich hasse dich nicht.«
»Ich hasse dich auch nicht. Und es gibt viele gute Ehen, die mit sehr viel weniger angefangen haben.« Sanft drehte er mich von sich fort und legte sich hinter mich, so dass wir aneinandergeschmiegt dalagen. Seine Hand legte sich um meine Brust, nicht einladend oder fordernd, sondern sanft und weil sie dorthin zu gehören schien.
»Hab keine Angst«, flüsterte er mir ins Haar. »Wir sind jetzt zu zweit.« Ich fühlte mich warm und getröstet und zum ersten Mal seit vielen Tagen sicher. Doch als ich mit dem ersten Schimmer des Tageslichts in den Schlaf driftete, erinnerte ich mich an das Messer über meinem Kopf und fragte mich erneut, was für eine Bedrohung einen Mann wohl veranlasste, in seiner Hochzeitsnacht bewaffnet zu schlafen und auf der Hut zu sein.
Kapitel 16
Ein schöner Tag
Die mühsam gewonnene Intimität der Nacht schien mit dem Morgentau verdunstet zu sein, und wir begegneten uns mit großer Zurückhaltung. Nachdem wir weitgehend schweigend in unserem Zimmer gefrühstückt hatten, stiegen wir auf den kleinen Hügel an der Rückseite des Gasthauses. Hin und wieder tauschten wir ziemlich verkrampfte Höflichkeiten aus.
Auf dem Hügel ließ ich mich auf einen Baumstamm plumpsen, um mich auszuruhen, während sich Jamie ein Stückchen entfernt auf den Boden setzte und sich mit dem Rücken an einen Kiefernschössling lehnte.
Hinter mir raschelte ein Vogel im Gebüsch, vermutlich ein Zeisig oder eine Drossel. Ich lauschte den Geräuschen, sah die Wölkchen am Himmel vorüberziehen und machte mir zögernd Gedanken, wie ich mit einer Situation wie dieser umgehen sollte.
Gerade wurde die Stille unerträglich, als Jamie plötzlich »Ich hoffe …« sagte, danach verstummte und verlegen errötete. Obwohl ich eher das Gefühl hatte, dass ich es war, die rot werden sollte, war ich froh, dass zumindest einer von uns dazu imstande war.
»Was?«, fragte ich so ermunternd wie möglich.
Immer noch rot, schüttelte er den Kopf. »Es ist nicht wichtig.«
»Bitte.« Ich streckte mein Bein aus und stupste ihn vorsichtig mit dem Zeh an. »Aufrichtigkeit, weißt du noch?« Das war zwar gemein, aber ich konnte sein nervöses Räuspern und Zucken nicht mehr ertragen.
Er legte die Hände um seine Knie und lehnte sich ein wenig zurück, richtete den Blick dann aber direkt auf mich.
»Ich wollte sagen«, sagte er leise, »dass ich hoffe, der Mann, der die Ehre hatte, zum ersten Mal mit dir zu schlafen, war dir gegenüber genauso großzügig, wie du es mir gegenüber warst.« Er lächelte etwas schüchtern. »Aber dann habe ich nachgedacht und hatte das Gefühl, das klingt nicht so, wie ich es meine. Was ich gemeint habe … nun ja, was ich sagen wollte, ist danke.«
»Das hatte doch nichts mit Großzügigkeit zu tun!«, gab ich zurück. Ich senkte den Blick und kratzte energisch mit den Fingern an einem nicht vorhandenen Fleck auf meinem Kleid herum. Ein großer Schuh schob sich in mein Blickfeld und stieß mir gegen den Knöchel.
»Aufrichtigkeit, soso«, wiederholte er, und als ich den Blick hob, sah ich mich zwei spöttisch hochgezogenen Augenbrauen und einem breiten Grinsen gegenüber.