»Wisst Ihr, ich bekenne mich«, sagte er und betupfte sich geziert die Nase mit einem Taschentuch, das mit seinem Monogramm bestickt war, »zu einer gewissen abenteuerlichen Ader. Doch waren weder meine Statur noch meine Herkunft so, dass ich für das Leben eines Straßenräubers oder Seefahrers geschaffen gewesen wäre, was die abenteuerlichsten Berufe waren, die ich mir damals vorstellen konnte. Als Alternative habe ich dann beschlossen, dass meine beste Chance nordwärts lag, in den Highlands. Ich dachte, ich könnte vielleicht einen Clanhäuptling dazu bewegen, mir, nun ja, mir zu gestatten, ihm zu Diensten zu sein.«
Und im Verlauf seiner Reise war er tatsächlich einem solchen Häuptling begegnet.
»Jacob MacKenzie«, erinnerte er sich mit einem wehmütigen Lächeln. »Was für ein alter rothaariger Schurke.« Mr. Gowan nickte zum Anfang der Kolonne, wo Jamie MacTavishs rotes Haar im Nebel aufleuchtete. »Sein Enkelsohn ist ihm sehr ähnlich. Das erste Mal bin ich Jacob am Ende eines Pistolenlaufs begegnet, denn er hat mich ausgeraubt. Mein Pferd und meine Taschen habe ich ihm widerstandslos überlassen, da mir sowieso kaum etwas anderes übrigblieb. Doch ich glaube, er hat nicht damit gerechnet, dass ich dann darauf beharrte, ihn zu begleiten, nötigenfalls zu Fuß.«
»Jacob MacKenzie. Das war Colums und Dougals Vater?«, fragte ich.
Der Anwalt nickte. »Aye. Natürlich war er damals noch nicht das Clanoberhaupt. Das kam ein paar Jahre später … mit etwas Hilfe von mir«, fügte er bescheiden hinzu. »Damals war alles … noch nicht so zivilisiert«, sagte er nostalgisch.
»Tatsächlich?«, erwiderte ich höflich. »Und Colum hat Euch, äh, sozusagen geerbt?«
»Etwas in der Art«, antwortete Mr. Gowan. »Es herrschte eine gewisse Verwirrung, als Jacob starb. Colum war natürlich der Erbe von Leoch, aber er …« Der Anwalt hielt inne, um sicherzugehen, dass uns niemand nah genug war, um zuzuhören. Doch der bewaffnete Wachtposten war ein Stück vorgeritten, um sich seinen Kameraden anzuschließen, und von dem Kutscher, der uns folgte, trennten uns gute vier Pferdelängen.
»Colum war ein ganzer Mann, bis er etwa achtzehn war«, fuhr er mit seiner Erzählung fort, »und er verhieß, ein guter Anführer zu werden. Letitia hat er als Teil einer Allianz mit den Camerons geheiratet – ich habe den Ehevertrag aufgesetzt«, fügte er als Fußnote hinzu, »doch kurz nach der Hochzeit hatte er auf einem Raubzug einen schlimmen Sturz. Hat sich den Oberschenkel gebrochen, und der Bruch ist schlecht verheilt.«
Ich nickte. Das war zu erwarten gewesen.
»Und dann«, fuhr Ned Gowan mit einem Seufzer fort, »ist er zu früh wieder aufgestanden und die Treppe hinuntergefallen. Dabei hat er sich das andere Bein gebrochen. Er hat fast ein Jahr im Bett gelegen, doch es wurde bald klar, dass er dauerhaft beeinträchtigt bleiben würde. Leider ist Jacob zu diesem Zeitpunkt gestorben.«
Mr. Gowan hielt inne, um seine Gedanken zu ordnen. Er spähte noch einmal nach vorn, als suchte er jemanden. Da er ihn nicht fand, machte er es sich wieder im Sattel bequem.
»Das war etwa zur selben Zeit, als sich der Skandal um die Hochzeit seiner Schwester ereignete«, sagte er. »Und Dougal … nun, Dougal hat sich in dieser Situation leider nicht besonders ruhmreich verhalten. Sonst hätte man Dougal damals vielleicht zum Häuptling gemacht, doch man hatte nicht das Gefühl, dass sein Urteilsvermögen dafür schon ausreichte.« Er schüttelte den Kopf. »Oh, was für ein Aufruhr damals herrschte! Jeder Vetter und Onkel und Gefolgsmann wollte mitreden, und man hielt ein großes
»Aber dann haben sie doch Colum gewählt?«, fragte ich. Einmal mehr staunte ich über Colum MacKenzies starke Persönlichkeit. Und mit einem Blick auf den von den Jahren schon leicht verschrumpelten kleinen Mann, der an meiner Seite ritt, dachte ich, dass Colum auch eine glückliche Hand bei der Wahl seiner Verbündeten besaß.
»Ja, aber nur, weil die Brüder entschlossen Seite an Seite gestanden haben. Es herrschte ja weder Zweifel an Colums Mut noch an seiner Klugheit, nur an seinem Körper. Es war klar, dass er nie wieder in der Lage sein würde, seine Männer in den Kampf zu führen. Doch es gab schließlich noch Dougal, stark und gesund, wenn auch ein wenig hitzköpfig. Und er hat sich hinter den Sessel seines Bruders gestellt und geschworen, Colum Folge zu leisten, ihm die Beine zu ersetzen und im Feld sein Schwertarm zu sein. Also wurde der Vorschlag unterbreitet, Colum zum Oberhaupt des Clans zu machen, wie es unter normalen Umständen sowieso geschehen wäre, und Dougal zum Kriegshäuptling zu ernennen, der den Clan in kämpferischen Zeiten anführen konnte. Die Situation war nicht ohne Präzedenzfall«, fügte er im Amtsjargon hinzu.
Die Bescheidenheit, mit der er besagten »Vorschlag« erläutert hatte, ließ keinen Zweifel daran, von wem er gekommen war.
»Und wessen Mann seid Ihr?«, fragte ich. »Colums oder Dougals?«