Im Landespolizeiamt herrscht eine aufgebrachte, fast hasserfüllte Atmosphäre. Man vergleicht die Ereignisse mit Josef Eks Bestialität vor zwei Jahren. Die Zeitungen schreiben über das Drama in den Schären, sie nennen den Täter einen Polizistenschlächter, und die Journalisten spekulieren und versuchen, ihren Quellen im Polizeiapparat Informationen abzupressen.
Joona Linna und Saga Bauer sollen dem Leiter der Landeskriminalpolizei Carlos Eliasson, dem Abteilungsleiter beim Staatsschutz Verner Zandén, Kriminalkommissar Petter Näslund, dem Einsatzleiter Benny Rubin sowie Nathan Pollock und Tommy Kofoed von der Landesmordkommission Bericht erstatten.
Sie gehen den Flur hinab und sprechen darüber, wie Penelope Fernandez ihnen weiterhelfen könnte.
»Ich glaube, dass sie bald sprechen wird«, sagt Joona.
»Das ist nicht gesagt, genauso gut kann sie ganz dichtmachen«, erwidert Saga.
Anja Larsson ist aus ihrem Büro getreten, steht im Korridor und betrachtet Joona und Saga mit unglücklichem Blick. Als Joona sie sieht, lächelt er breit und winkt ihr zu, sieht aber nicht mehr, dass sie mit Daumen und Zeigefingern ein Herz formt, ehe er den Sitzungsraum betritt.
Sie schließen die Tür, setzen sich und begrüßen leise die anderen, die bereits Platz genommen haben.
»Als Erstes möchte ich festhalten, dass es keine Anhaltspunkte für ein linksextremistisches Attentat gibt«, erklärt Saga.
Verner flüstert Nathan Pollock etwas zu.
»Oder?«, fragt Saga mit erhobener Stimme.
Verner blickt auf und nickt.
»Ja, das ist korrekt«, bestätigt er und räuspert sich.
»Fang vorne an«, fordert Carlos Saga auf.
»Also … Penelope Fernandez engagiert sich in der Friedensbewegung, sie ist Vorsitzende der Schwedischen Friedens- und Schlichtungsgesellschaft. Sie ist seit Längerem mit Björn Almskog liiert, der an der Bar im Musikklub Debaser am Medborgarplatsen arbeitet. Sie wohnt in der Sankt Paulsgatan 3 und er in der Pontonjärgatan 47.
An der Glastür zwischen Wohnzimmer und Flur ihrer Wohnung hat Penelope Fernandez mit Klebestreifen ein Foto befestigt.
Mithilfe ihres Notebooks projiziert Saga Bauer eine Kopie des Bildes auf die Leinwand am Kopfende des Raums.
»Die Aufnahme ist im Frühjahr 2008 in Frankfurt am Main entstanden«, erläutert sie.
»Palmcrona erkennen wir«, sagt Carlos.
»Ja, genau«, bestätigt Saga und fährt fort, die Personen in der Loge zu identifizieren. »Das hier ist Pontus Salman, geschäftsführender Direktor des Waffenproduzenten Silencia Defence. Und diese Person hier ist kein Geringerer als Raphael Guidi. Er ist ein bekannter Waffenhändler, seit Langem im Geschäft … in der Branche nennt man ihn den Erzengel, er macht seine Geschäfte vor allem in Afrika und im Mittleren Osten.«
»Und die Dame haben Sie zum Kaffee eingeladen?«, erkundigt sich Benny Rubin.
»Sie heißt Agathe al-Haji«, bemerkt Saga, ohne auf den Scherz einzugehen. »Sie ist Sicherheitsberaterin der sudanesischen Regierung und steht in einem sehr engen Kontakt zu Präsident Umar al-Bashir.«
Benny schlägt mit der flachen Hand auf die Tischplatte und bleckt die Zähne, als Pollock ihm einen gereizten Blick zuwirft.
»Ist es üblich, sich so zu treffen?«, fragt Carlos.
»Ja, ich denke schon«, antwortet Saga. »Bei der Besprechung auf dem Bild ging es um eine große Lieferung von lizenzgefertigter Munition an die sudanesische Armee. Das Geschäft wurde als sicherheitspolitisch relevant eingestuft und wäre zweifellos zustande gekommen, wenn der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag nicht einen Haftbefehl gegen Präsident al-Bashir ausgestellt hätte.«
»Das war 2009, stimmt’s?«, fragt Pollock.
»Ist mir entgangen«, sagt Carlos.
»Es wurde nicht besonders viel darüber berichtet«, sagt Saga, »aber der Haftbefehl wurde wegen direkter Beteiligung an Folter, Vergewaltigung und Völkermord in Darfur erwirkt.«
»Und deshalb ist aus dem Geschäft nichts geworden«, konstatiert Carlos.
»Richtig«, bestätigt Saga.
»Und das Foto? Was ist damit? Nichts?«, fragt Verner.
»Penelope Fernandez scheint jedenfalls nichts Gefährliches darin gesehen zu haben, denn sie hat es an eine Zimmertür gehängt«, bemerkt Saga.
»Dennoch ist es nicht unwichtig für sie – gerade weil sie es gut sichtbar platziert hat«, kommentiert Carlos.
»Das wissen wir nicht, vielleicht hat es ihr auch nur als eine Erinnerung daran gedient, wie es in unserer Welt aussieht«, meint Saga. »Dass es ganz unten einige gibt, die sich für den Frieden einsetzen, und ganz oben stoßen die Mächtigen mit Champagner an.«