596 Jenseits des Rheins sah man dem GestadMit allen seinen G"asten den K"onig schon genaht.Da sah man auch am Zaume leiten manche Maid:Die sie empfangen sollten, die waren alle bereit.597 Als bei den Schiffen ankam von Isenland die ScharUnd die der Nibelungen, die Siegfried eigen war,Sie eilten an das Ufer; wohl fliss sich ihre Hand,Als man des K"onigs Freunde jenseits am Gestade fand.598 Nun h"ort auch die M"are von der K"onigin,Ute der reichen, wie sie die M"agdlein hinBrachte von der Veste und selber ritt zum Strand.Da wurden mit einander viel Maid’ und Ritter bekannt.599 Der Markgraf Gere f"uhrte am Zaum Kriemhildens PferdBis vor das Thor der Veste; Siegfried der Degen werthDurft ihr weiter dienen; sie war so sch"on und hehr.Das ward ihm wohl vergolten von der Jungfrau nachher.600 Ortwein der k"uhne f"uhrte Ute die K"onigin,Und so ritt mancher Ritter neben den Frauen hin.Zu festlichem Empfange, das mag man wohl gestehn,Wurden nie der Frauen so viel beisammen gesehn.601 Viel hohe Ritterspiele wurden da getriebenVon preiswerthen Helden (wie w"ar es unterblieben?)Vor Kriemhild der sch"onen, die zu den Schiffen kam.Da hub man von den M"ahren viel der Frauen lobesam.602 Der K"onig war gelandet mit fremder Ritterschaft.Wie brach da vor den Frauen mancher starke Schaft!Man h"ort’ auf den Schilden erklingen Stoss auf Stoss.Hei! reicher Buckeln Schallen ward im Gedr"ange da gross!603 Vor dem Hafen standen die Frauen minniglich;Gunther mit seinen G"asten hub von den Schiffen sich:Er f"uhrte Brunhilden selber an der Hand.Wider einander leuchtete sch"on Gestein und lichtGewand.604 In h"ofischen Z"uchten hin Frau Kriemhild gieng,Wo sie Frau Brunhilden und ihr Gesind empfieng.Man konnte lichte H"ande am Kr"anzlein r"ucken sehn,Da sich die Beiden k"ussten: das war aus Liebe geschehn.605 Da sprach wohlgezogen Kriemhild das M"agdelein:"Ihr sollt uns willkommen in diesem Lande sein,Mir und meiner Mutter, und Allen, die uns treuVon Mannen und von Freunden." Da verneigtensich die Zwei.606 Oftmals mit den Armen umfiengen sich die Fraun.So minniglich Empfangen war nimmer noch zu schaun,Als die Frauen beide der Braut da thaten kund,Frau Ute mit der Tochter: sie k"ussten oft den s"ussenMund.607 Da Brunhilds Frauen alle nun standen auf dem Strand,Von waidlichen Recken wurden bei der HandFreundlich genommen viel Frauen ausersehn.Man sah die edeln Maide vor Frau Brunhilden stehn.608 Bis der Empfang vor"uber war, das w"ahrte lange Zeit,Manch rosigem Munde war da ein Kuss bereit.Noch standen bei einander die K"oniginnen reich:Das freuten sich zu schauen viel der Recken ohne Gleich.609 Da sp"ahten mit den Augen, die oft geh"ort vorher,Man hab also Sch"ones gesehen nimmermehrAls die Frauen beide: das fand man ohne Lug.Man sah an ihrer Sch"one auch nicht den mindesten Trug.610 Wer Frauen sch"atzen konnte und minniglichen Leib,Der pries um ihre Sch"one K"onig Gunthers Weib;Doch sprachen da die Kenner, die es recht besehn,Man m"usse vor Brunhilden den Preis Kriemhildenzugestehn.611 Nun giengen zu einander M"agdelein und Fraun;Es war in hoher Zierde manch sch"ones Weib zu schaun.Da standen seidne H"utten und manches reiche Zelt,Womit man erf"ullt sah hier vor Worms das ganze Feld.612 Des K"onige Freunde dr"angten sich, um sie zu sehn.Da hiess man Brunhilden und Kriemhilden gehnUnd all die Fraun mit ihnen hin, wo sich Schatten fand;Es f"uhrten sie die Degen aus der Burgunden Land.613 Nun waren auch die G"aste zu Ross gesessen all;Da gabs beim Lanzenbrechen durch Schilde lauten Schall.Das Feld begann zu st"auben, als ob das ganze LandEntbrannt w"ar in der Lohe: da machten Heldensich bekannt.614 Was da die Recken thaten, sah manche Maid mit an.Wohl ritt mit seinen Degen Siegfried der k"uhne MannIn mancher Wiederkehre vorbei an dem Gezelt;Der Nibelungen f"uhrte tausend Degen der Held.615 Da kam von Tronje Hagen, wie ihm der K"onig rieth;Der Held mit guter Sitte die Ritterspiele schied,Dass sie nicht bestaubten die sch"onen M"agdelein:Da mochten ihm die G"aste gerne wohl gehorsam sein.616 Da sprach der edle Gernot: "Die Rosse lasst stehn,Bis es beginnt zu k"uhlen, dass wir die Frauen sch"onMit unserm Dank geleiten bis vor den weiten Saal;Will dann der K"onig reiten, find er euch bereit zumal."617 Das Kampfspiel war vergangen "uber all dem Feld:Da giengen kurzweilen in manches hohe ZeltDie Ritter zu den Frauen um hoher Lust Gewinn:Da vertrieben sie die Stunden, bis sie weiter sollten ziehn.618 Vor des Abends Nahen, als sank der Sonne LichtUnd es begann zu k"uhlen, liess man es l"anger nicht:Zu der Veste huben Fraun und Ritter sich;Mit Augen ward geliebkost mancher Sch"onen minniglich.619 Von guten Knechten wurden viel Pferde m"ud gerittenVor den Hochgemuthen nach des Landes Sitten,Bis vor dem Saale abstieg der K"onig werth.Da diente man den Frauen und hob sie nieder vom Pferd.620 Da wurden auch geschieden die K"oniginnen reich.Hin gieng Frau Ute und Kriemhild zugleichMit ihrem Ingesinde in ein weites Haus:Da vernahm man allenthalben der Freude rauschendenBraus.621 Man richtete die St"uhle: der K"onig wollte gehnZu Tisch mit den G"asten. Da sah man bei ihm stehnBrunhild die sch"one, die da die Krone trugIn des K"onigs Lande: sie erschien wohl reich genug.622 Da sah man sch"one Sitze und gute Tafeln breitMit Speisen beladen, so h"orten wir Bescheid.Was sie da haben sollten, wie wenig fehlte dran!Da sah man bei dem K"onig gar manchen herrlichenMann.623 Des Wirthes K"ammerlinge im Becken goldesrothReichten ihnen Wasser. Das w"ar vergebne Noth,Sagte wer, man h"atte je fleissgern Dienst gethanBei eines F"ursten Hochzeit: ich glaubte schwerlich daran.624 Eh der Vogt am Rheine hier das Wasser nahm,Zu Gunthern trat da Siegfried, er durft es ohne Scham,Und mahnt’ ihn seiner Treue, die er ihm gab zu Pfand,Bevor er Brunhilden daheim gesehn in Isenland.625 Er sprach zu ihm: "Gedenket, mir schwur eure Hand,Wenn wir Frau Brunhild br"achten in diess Land,Ihr g"abt mir eure Schwester: wo blieb nun der Eid?Ihr wisst, bei eurer Reise war keine M"uhe mir leid."626 Da sprach der Wirth zum Gaste: "Recht,dass ihr mich mahnt.Ich will den Eid nicht brechen, den ich schwurmit Mund und Hand,Ich helf es euch f"ugen, so gut es mag geschehn."Da hiess man Kriemhilden zu Hof vor den K"onig gehn.627 Mit ihren sch"onen Maiden kam sie vor den Saal.Da sprang von einer Stiege Geiselher zu Thal:"Nun heisst wiederkehren diese M"agdelein:Meine Schwester soll alleine hier bei dem K"onige sein."628 Hin brachten sie Kriemhilden, wo man den K"onig fand:Da standen edle Ritter von mancher F"ursten Land.In dem weiten Saale hiess man sie stille stehn;Frau Brunhilden sah man eben auch zu Tische gehn.629 Sie hatte keine Kunde, was da im Werke war.Da sprach K"onig Dankrats Sohn zu seiner Mannen Schar:"Helft mir, dass meine Schwester Siegfrieden nimmtzum Mann."Sie sprachen einhellig: "Das w"are gar wohl gethan."630 Da sprach der K"onig Gunther: "Schwester, edle Maid,Bei deiner Zucht und G"ute l"ose meinen Eid.Ich schwur dich einem Recken, und nimmstdu ihn zum Mann,So hast du meinen Willen mit grossen Treuen gethan."631 Die edle Maid versetzte: "Lieber Bruder mein,Ihr sollt mich nicht flehen, ich will gehorsam sein.Wie ihr mir gebietet, so soll es sein gethan:Dem will ich mich verloben, den ihr, Herr,mir gebt zum Mann."632 Von lieber Augenweide Ward Siegfrieds Farbe roth:Zu Diensten sich der Recke Frau Kriemhilden bot.Man liess sie mit einander in einem Kreise stehn,Und frug sie, ob sie wolle diesen Recken ausersehn?633 Scheu, wie M"adchen pflegen, sch"amte sie sich ein Theil;Jedoch war Siegfrieden so g"unstig Gl"uck und Heil,Dass sie nicht verschm"ahen wollte seine Hand.Auch versprach sich ihr zum Manne der edle Heldvon Niederland.634 Da er sich ihr verlobte und sich ihm die Maid,Ein g"utlich Umfangen war da alsbald bereitVon Siegfriedens Armen dem sch"onen M"agdlein zart:Die edle K"onigin k"usst’ er in der Helden Gegenwart.635 Sich schied das Gesinde. Als das geschah,Auf dem Ehrenplatze man Siegfrieden sah,Mit Kriemhilden sitzen; da dient’ ihm mancher Mann.Man sah die Nibelungen mit ihm den Sitzen sich nahm.636 Der K"onig sass zu Tische bei Brunhild der Maid.Da sah sie Kriemhilden (nichts war ihr je so leid)Bei Siegfrieden sitzen: zu weinen hub sie an,Dass ihr manch heisse Thr"ane "uber lichte Wangen rann.637 Da sprach der Wirth des Landes: "Was ist euch,Fraue mein,Dass ihr so tr"uben lasset lichter Augen Schein?Ihr solltet recht euch freuen: euch ist unterthanMein Land und reiche Burgen und mancher waidlicheMann."638 "Recht weinen sollt ich eher," sprach die sch"one Maid."Deiner Schwester wegen trag ich Herzeleid.Ich seh sie sitzen neben dem Eigenholden dein:Wohl muss ich immer weinen, soll sie so erniedrigt sein."639 Da sprach der K"onig Gunther: "Schweigt davon jetzt still,Da ich euch ein andermal die Kunde sagen will,Warum meine Schwester Siegfrieden ward gegeben.Wohl mag sie mit dem Recken allezeit in Freuden leben."640 Sie sprach: "Mich jammern immer ihre Sch"onheit,ihre Zucht;W"ust ich, wohin ich sollte, ich n"ahme gern die FluchtUnd wollt euch nimmer eher nahe liegen bei,Bis ich w"uste, weshalb Kriemhild die Brautvon Siegfrieden sei."641 Da sprach K"onig Gunther: "Ich mach es euch bekannt:Er hat selber Burgen wie ich und weites Land.Das d"urft ihr sicher glauben, er ist ein K"onig reich:Drum g"onn ich ihm zum Weibe die sch"one Magdohne Gleich."642 Was ihr der K"onig sagte, traurig blieb ihr Muth.Da eilte von den Tischen mancher Ritter gut:Das Kampfspiel ward so heftig, dass rings die Burgerklang.Dem Wirth bei seinen G"asten ward die Weile viel zu lang.643 Er dacht: "Ich l"age sanfter der sch"onen Frauen bei."Er wurde des Gedankens nicht mehr im Herzen frei,Von ihrer Minne m"usse ihm Liebes viel geschehn.Da begann er freundlich Frau Brunhilden anzusehn.644 Vom Ritterspiel die G"aste bat man abzustehn:Mit seinem Weibe wollte zu Bett der K"onig gehn.Vor des Saales Stiege begegneten daSich Kriemhild und Brunhild; noch in G"ute das geschah.645 Da kam ihr Ingesinde; sie s"aumten l"anger nicht:Ihre reichen K"ammerlinge brachten ihnen Licht.Es theilten sich die Recken in beider K"onge Lehn.Da sah man viel der Degen hinweg mit Siegfrieden gehn.646 Die Helden kamen beide hin, wo sie sollten liegen.Da dachte Jedweder mit Minnen obzusiegenDen minniglichen Frauen: des freute sich ihr Muth.Siegfriedens Kurzweil die wurde herrlich und gut.647 Als Siegfried der Degen bei Kriemhilden lagUnd er da der Jungfrau so minniglich pflagMit seinem edeln Minnen, sie ward ihm wie sein Leben:Er h"atte nicht die eine f"ur tausend andre gegeben.648 Ich sag euch nicht weiter, wie er der Frauen pflag.Nun h"ort diese M"are, wie K"onig Gunther lagBei Brunhild der Frauen; der zierliche DegenH"atte leichtlich sanfter bei andern Frauen gelegen.649 Das Volk hatt ihn verlassen zumal, so Frau als Mann:Da ward die Kemenate balde zugethan.Er w"ahnt’, er solle kosen ihren minniglichen Leib:Da w"ahrt’ es noch gar lange, bevor sie wurde sein Weib.